Stille Zeichen

Gestern, am 9. November 2023, gedachten wir der Opfer des Holocaust zum 85. Mal.
Es gibt über siebzig Stolpersteine hier im Kiez. Menschen aus der Nachbarschaft haben für die Steine Patenschaften übernommen. Sie behalten die Steine im Auge, putzen sie und schmücken sie mindestens zwei Mal im Jahr (5. Mai und 9. November).

Gestern gab es überraschender Weise weiteren Schmuck in Form von Blumengestecken – wunderbare Gesten von Unbekannten, die den Stadtraum zumindest für einige Stunden veränderten und an die Pogromnacht und die Verfolgung von Jüdinnen und Juden, von Widerstandskämpfer:innen und anderen Marginalisierten des Nationalsozialismus erinnern ließen.

Leider war der Kerzen- und Blumenschmuck nach einigen Stunden verschwunden – doch die Steine glänzen weiterhin.

Danke an alle, die so für einige Stunden Zeichen der Anteilnahme an die Verfolgten des NS-Regimes setzten.

(Fotos: Susanne Regener / Stolpersteine im Bereich der Genthiner Straße und Lützowstraße)

Gedenkveranstaltung für die vergessene Berliner Malerin Eugenie Fuchs

Vor dem Gebäude der Urania, An der Urania Nr. 7, wurde am
Sonntag, 22. Oktober 2023, ein Stolperstein zum Gedenken an die jüdische Malerin Eugenie Fuchs verlegt.

Selbstbildnis Eugenie Fuchs

Eugenie Fuchs, geboren 1873 in Berlin, hatte viele Jahre in Schöneberg, an der ehemaligen Nettelbeckstraße gewohnt. 1933 musste sie Berlin verlassen und ging ins sicher geglaubte Exil in Paris. Von dort wurde sie 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Rabbinerin Jasmin Andriani sang und sprach anlässlich der Stolpersteinverlegung ein Kaddish für Eugenie Fuchs. Andriani wies darauf hin, dass ein Kaddish am Grab eines Verstorbenen gesprochen werden soll, da Eugenie Fuchs aber kein Grab habe, käme dieser Stolperstein ihrem Grab am nächsten.

Gedenken an Eugenie Fuchs anlässlich der Stolpersteinverlegung

Rund 40 Personen nahmen an der Verlegung des Stolpersteins teil, die unter erhöhtem Polizeischutz stattfand.

Stolperstein für Eugenie Fuchs

Zuvor gab es in der Urania eine Gedenkveranstaltung, in der das Leben und das künstlerische Werk von Eugenie Fuchs gewürdigt wurde. Die Ehrung fand im Kleist-Saal statt, einem holzgetäfelten großen Raum, der bis 1937 einer jüdischen Loge gehörte, deren Vorsitzender Leo Baeck war.

Kultursenator Joe Chialo sprach ein Grußwort anlässlich der Gedenkveranstaltung in der Urania

Berlins Kultursenator Joe Chialo sprach anerkennende Worte über das Werk der zu Unrecht vergessenen Berliner Malerin Eugenie Fuchs. Erinnern sei wichtig, so Chialo, gerade in der gegenwärtigen Situation, damit sich Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen nicht wiederholen.

Im Anschluss berichtete Paul Spies, Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin, über seine sehr persönliche Verbindung zu Eugenie Fuchs. Im Rahmen der Vorbereitung einer Ausstellung mit dem Titel „Geraubte Mitte“ hatte Spies von der vergessenen Malerin erfahren und stellte fest „sie konnte malen“; eines ihrer Bilder konnte Spies für das Stadtmuseum erwerben.

Paul Spies, Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin, im Kleist-Saal der Urania

Paul Spies wies auf das Schicksal vieler jüdischer Künstler*innen hin, die, von den Nationalsozialisten vertrieben und ermordet wurden. Es sei wichtig, an ihr Leben und Werk zu erinnern, gerade angesichts der gegenwärtigen Ereignisse im Nahen Osten.

Lutz Mauersberger, der vor wenigen Tagen sein neues Buch (1) über Eugenie Fuchs vorgelegt hat, berichtete sehr kenntnisreich über seine Recherchen zu Leben und Werk der Künstlerin. Nur etwa 10 ihrer Werke waren bisher aufzufinden, vermutlich sind viele Bilder für immer verloren. In den Zwanziger Jahren sei ihre Beteiligung an zahlreichen Ausstellungen nachweisbar. Er freue sich, so Mauersberger, dass zum 150. Geburtstag der Künstlerin erstmals wieder Menschen von ihrem Schicksal erfahren.

Autor Lutz Mauersberger beim Vortrag in der Urania

Familie Ledermann – 7

Im 6. Teil der Geschichte der Familie Ledermann hatten wir die von Franz Anton Ledermann geschriebene Geschichte „Zur Naturgeschichte des Dilettantenquartetts“ vorgestellt (Beitrag vom 22. April 2023, dort Bild 4), die am 9. Mai 1924 im Berliner Tageblatt erschienen war. Diese Glosse, als Teil eines humorvollen Buches über Hausmusik und Hausmusiker, insbesondere Streichquartette, betitelt „Das stillvergnügte Streichquartett“ (Bild 1), findet sich ab 1936 und bis heute sowohl als Buch (antiquarisch, letzte Auflage 2006) als auch auf CD, auf deutsch oder englisch (The Well-Tempered String Quartet), veröffentlicht von Ernst Heimeran (1902-1955) und Bruno Aulich (1902-1987) im Münchner Heimeran Verlag, der 1980 aufgelöst wurde.

Bild 1: Titelbild der Buchausgabe von 1936 und den nachfolgenden Ausgaben (3)

Den späteren Ausgaben vorangestellt ist die Anmerkung, dass erst die 7. Auflage der Geschichte (Untertitel: Auf Wiedersehn bei der Fermate – was wohl nur Musiker verstehen: Jeder spielt für sich, aber man trifft sich in den Pausen – den Fermaten) den Autor nennt, Franz Anton Ledermann, ein Rechtsanwalt, der Bratsche spielt, und den Erstabdruck 1924 im Berliner Tagblatt (Bild 2). Da wir diese Ignoranz zunächst für eine anti-semitische Einstellung des Verlags und der Herausgeber gehalten hatten, haben wir uns auf die Suche nach der „Geschichte hinter der Geschichte“ gemacht, und sind eines Besseren belehrt worden.

Bild 2: Die verschiedenen Einleitungstexte 1929 (1), 1932 (2), 1936 (3) und 1938 (3).

Dabei war die Suche 1929 deutlich näher an der Wahrheit als alles später Geschriebene. Im Vorwort zur Geschichte „Das Dilettantenquartett. Von F.A.Ledermann“ schreibt der Autor „Osmin“: Ich habe einen Kasten, in dem liegen Ausschnitte aus Zeitungen und Zeitschriften, gesammelt in vielen Jahren …. Als ich kürzlich darin wieder einmal kramte, fiel mir die köstliche Humoreske … in die Hände. Sie muß vor etwa fünf Jahren erschienen sein, in einer Tageszeitung, die ich nicht mehr feststellen kann. Auch den Verfasser habe ich vergebens zu ermitteln versucht … Ich konnte ihn nicht gebührend fragen, ob er den Abdruck seines witzigen Aufsatzes erlaube. Kommt er ihm irgendwie zu Gesicht, so bitte ich ihn, nicht böse zu sein und nachträglich Ja und Amen dazu zu sagen … Freilich wüßte ich auch gern, wer der Verfasser eigentlich ist.

Drum frag ich hiermit jedermann, wer kennt Herrn F.A.Ledermann?“ (1)

Drei Jahre später wird die Autorenschaft mystifiziert: „Diese geradezu klassische, humorvolle Schilderung … zirkuliert nämlich in wenigen Abschriften bei Musikliebhabern, ist u.W., die wir sie als kostbaren Schatz hüteten, noch nie veröffentlicht und angeblich von einem Herrn F. A. Ledermann verfaßt. Vielleicht finden wir ihn auf diesem Wege, damit wir ihm den Dank unzähliger Quartettspieler abstatten können“ (2).
Und die erste Auflage des Buches von 1936 weist weit in die Vergangenheit: „… diese humorvolle Schilderung … zirkuliert nämlich in Abschriften … (die) sich … bis zur Jahrhundertwende zurückverfolgen (lassen)“ (3), d.h. bis 1900; kein Wunder, dass die Suche nach dem Autor vergeblich gewesen war. Gleichzeitig weisen Heimeran und Aulich aber darauf hin, dass sie zuvor schon zweimal versucht haben, vergebens, wie sie in der ersten Buchausgabe 1936 vermerken (s. Bild 2).

Das Buch war populär, wofür spricht, dass 1938 schon die 7. deutsche Auflage gedruckt war, und dass im gleichen Jahr die erste englische Ausgabe auf den Markt kam, einer Übersetzung von D. Millar Craig (4). In beiden heißt es in der Einleitung zum Text, man kenne jetzt den Autor, „Ledermann ist Jurist, zählt heute 46 Jahre und spielt Bratsche“ (4) – und die englische Ausgabe nennt auch die korrekte Quelle: Berliner Tageblatt vom 9. Mai 1924 und vermerkt, dass das Buch vielleicht besser „Variations on a theme by Ledermann“ betitelt worden wäre.

Woher allerdings diese Informationen stammen, wird nicht berichtet. Franz Ledermann war im Oktober 1889 geboren worden, und war also bei der Erstausgabe des Buches tatsächlich 46 Jahre alt. Er lebte aber zu diesem Zeitpunkt bereits in Amsterdam, drei Jahre nach seiner Flucht aus Deutschland und sechs Jahr vor seinem Tod in Auschwitz – vielleicht ein Fall schamhaften Verschweigens der vermuteten Wahrheit? In der ersten Ausgabe nach dem Krieg (12. Auflage 1955) dann die „schaudernde“ Erkenntnis, dass er Opfer der Nationalsozialisten geworden war, falsch zwar in den Details (von der SS in Amsterdam ermordet), aber immerhin konzedieren sie, dass sie diesem Text viel zu verdanken hätten.

Literatur

  1. Deutsche Musiker-Zeitung Nr. 29 vom 29. Juli 1929, Seite 613-4
  2. Münchner Neueste Nachrichten Nr. 285 vom 19. Oktober 1932, Seite 11
  3. Bruno Aulich, Ernst Heimern. Das stillvergnügte Streichquartett. Heimeran Verrlag, München 1936 (1. Auflage), Seite 60; 7. Auflage (1838), Seite 60.
  4. The Well-Tempered String Quartet. By Bruno Aulich & Ernst Heimeran. Translation by D. Millar Craig. London: Novello and Company Ltd. 1938. Der entsprechende Abschnitt mit dem Text von Ledermann ist betitelt: „See you again at the Double Bar, a contribution to the Natural History of the Amateur Quartet“ (Seite 47).

Auf den Spuren der afrodeutschen Familie Diek – Geschichten schwarzer Menschen in Tempelhof-Schöneberg

Im Museum Schöneberg ist bis 01. Oktober 2023 eine Sonderausstellung zu einem bisher vernachlässigten Thema zu sehen. „Auf den Spuren der Familie Diek“ schildert das Schicksal von Afrodeutschen von der Kaiserzeit über das Dritte Reich bis zur Nachkriegszeit und der heutigen Urenkel*innengeneration, die am 6. Juli 2023 (19 Uhr) an einer Podiumsdiskussion im Museum teilnehmen werden.

Stolpersteine beantragen

Leitfaden der Initiative Stolpersteine Mitte Berlin zur Vorbereitung und Durchführung einer Stolpersteinverlegung

1.Erstkontakt mit Angehörigen oder Paten: Information und Beratung
Der Erstkontakt erfolgt in der Regel durch einer E-Mail-Anfrage, die durch die
Stiftung-Spuren-Gunter Demnig oder die Koordinationsstelle Stolpersteine an uns
weitergeleitet wird. Die Anfrage wird von Theo (in Englisch) oder Hannelore (für die
deutschsprachigen) schriftlich beantwortet.
Als Anlage wird ein Merkblatt geschickt, das in deutscher und in englischer Fassung existiert und über die

  • Struktur der Stolpersteininitiative, die Zusammensetzung und Motivation der
    ehrenamtlichen Mitglieder*innen,
  • Situation in Berlin-Mitte (u.a. Wartezeiten),
  • Kosten und finanzielle Abwicklung,
  • Notwendigkeit der weiteren Recherche,
  • „Familienzusammenführung“ als Voraussetzung für die Verlegung informiert.

Anfragen von Familienangehörigen

Viele Familien haben bereits eigene Recherchen gemacht oder besitzen FamilienDokumente und stellen diese zur Verfügung. Wir überprüfen die von den Familienangehörigen vorgelegten Angaben und recherchieren bei Bedarf (mit Zustimmung oder in Zusammenarbeit mit der Familie) weiter. Außerdem prüfen wir, ob Steine für die in der Anfrage genannten Personen bereits von anderen Familienmitgliedern oder Hausgemeinschaften geplant oder sogar verlegt wurden.

Anfragen von Einzelpaten, Hausgemeinschaften, Vereinen, Verbänden,
Schulklassen, Parteien, etc.

Die Initiative recherchiert grundsätzlich nicht für diese Gruppen, prüft aber die Entwürfe der Inschriften und der Biografie und bietet Beratung und Unterstützung bei der Organisation der Verlegung und des Gedenkakts an.

2.Warteliste
Die Kontaktdaten der Familie bzw. des Paten, die Namen und persönlichen Daten und bekannte Anschriften der Opfer werden in die Warteliste aufgenommen.
Grundsätzlich werden die Anfragen in der Reihenfolge des jeweiligen Erstkontakts bearbeitet.

3. Recherche
Sehr praktische Recherchehilfen sind unter diesem Stichwort auf der Webseite

http://www.stolpersteine-berlin.de/de/engagement/recherchieren

zu finden.

Die Koordinationsstelle und die Landesarchive Berlin und Brandenburg organisieren regelmäßige Rechercheseminare und Workshops und kündigen sie auf der o.a. Webseite an.
Die Recherche ist abgeschlossen, wenn

  • die Verlegungsanschrift zweifelsfrei ermittelt ist,
  • die für die Inschrift erforderlichen Daten vorliegen und
  • darüber hinaus genügend Information über das oder die Opfer vorliegen, um lebendige Biografien zu erstellen.

Als Recherchehilfe haben wir ein Formular für Angehörige und Paten entwickelt, das Daten der erweiterten Familie und Information über den Lebenslauf der Opfer abfragt. Das Formular befindet sich auf Seite 10 dieses Leitfadens.

4. Planung der Verlegetermine
Es gibt sechs Verlegungstermine pro Jahr in Berlin, davon 4 Termine mit Gunter Demnig und 2 Termine mit unserem externen autorisierten Verleger Herr Münkel. (Diese 2 Verlegungen werden Gemeinschaftsverlegungen genannt). Insgesamt werden ca. 360 Steine verlegt, pro Termin etwa 60. Es wird versucht, die Termine gleichmäßig über das Jahr zu verteilen. Die geplanten Termine für die Verlegungen werden auf den Initiativen-Treffen (an denen unsere Initiative beteiligt ist) etwa vier Monate vor dem jeweiligen Verlegungstermin mitgeteilt. Die Anzahl der Steine, die
die einzelnen Initiativen verlegen können, werden beim Initiativen-Treffen
ausgehandelt.

  • nur „ausrecherchierte“ Steine, für die eine fertige Inschrift vorliegt, sollten zur Verlegung vorgeschlagen werden,
  • den Familien bzw. Paten gegenüber muss deutlich gemacht werden, dass sie keinen Einfluss auf die Termingestaltung nehmen können,
  • die Familien bzw. Paten, die aus dem Ausland anreisen wollen, dürfen erst dann, wenn der Verlegungstermin 100% sicher ist, ihre Reise buchen.

Das Hinwegtrösten über diese Planungsunsicherheit erfordert eine sehr offene und vertrauensvolle Beziehung zwischen Initiative und Familien bzw. Paten.

5. Erstellung der Inschrift
Die Inschrift wird erst, wenn die Biografie des Opfers „ausrecherchiert“ ist, erstellt.
Die „Regeln“ für die Formulierung und Gestaltung der Inschrift ergeben sich aus der Praxis und werden ständig weiter entwickelt.
Die Inschrift wird der Koordinierungsstelle so vorgelegt, dass die Gestaltung des Steins sichtbar wird. Es wird nur Arial Schriftgröße 12 (für den Lebenslauf) bzw.16 (für den Namen) verwendet.

Als Beispiel:
HIER WOHNTE
VOR- UND FAMILIENNAMEN
ggf. MÄDCHENNAME
JAHRGANG
DEPORTATIONSDATUM
DEPORTATIONSZIEL
WEITERE DEPORTATIONSZIELE
TODESDATUM / ORT

Die Initiative erhält rechtzeitig von der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin den Termin zur Einreichung der Inschriften.
Wenn die Inschriften nach der 1. Korrektur zurückkommen, bitte an die
Angehörigen oder Paten weiterleiten, sie müssen ihr Einverständnis zur Inschrift geben. Nach der Prüfung in Berlin wird der Entwurf – ggf. nach Korrektur – dem Büro von G. Demnig vorgelegt. Erst nach Zustimmung durch das Büro und ca. drei Monate vor der Verlegung werden die Steine erstellt.
Die Korrektur in der Koordinierungsstelle und vor allem im Büro von Gunter Demnig gibt Auskunft über die aktuell erwünschte Formulierung der Inschriften. Wir müssen also die Korrekturen gut beobachten.

5. Die Biografie
Die Biografie wird meistens von der-/demjenigen geschrieben, der die Recherche gemacht hat. Einerseits soll die Biografie lebendig sein, andererseits muss sie auf wissenschaftlichen Quellen basieren. Viele Familien haben umfangreiche Recherchen betrieben, lassen aber manche Quellen außer Acht oder bevorzugen informelle Quellen wie genealogische Websites. Die Biografien werden auf http://www.stolpersteine-berlin.de veröffentlicht, möglichst auch auf Englisch, und tragen den Namen des Verfassers. Vor der Veröffentlichung werden sie lektoriert.Die Koordinationsstelle bietet Schreibseminare regelmäßig an.

6. Verlegungsanschrift
Stolpersteine werden an der letzten Adresse verlegt, an der die Opfer freiwillig gelebt haben.
In Mitte erschweren die vielen Straßenumbenennungen der letzten 80 Jahren, die Kriegsschäden und städteplanerischen Eingriffe der Nachkriegsjahre, gelegentlich auch eine neue Nummerierung der Grundstücke, die Festlegung des Verlegungsorts.
Parallel zur biografischen Recherche muss also eine Erforschung der Anschrift des Opfers stattfinden. Dazu gibt es mehrere digitalisierte Hilfsmittel: u.a. die Berliner Adressbücher und das HistoMap-Angebot des Berliner Landesarchivs. In schwierigen Fällen kann das Katasteramt oft helfen.
Ist die Anschrift eindeutig identifiziert, sollte dringend vor Ort die
Bodenbeschaffenheit festgestellt und fotografiert werden: Kleinpflaster,
Granitplatten, Asphalt, Beton, Rasen…
Seit dem 01.01 2018 muss Asphalt oder Beton vor der Verlegung aufgebrochen werden, damit Gunter Demnig seinen Zeitplan einhalten kann.
Im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Gunter Demnig und dem Bezirk Mitte dürfen Stolpersteine ohne Genehmigungsverfahren im öffentlichen Straßenraum verlegt werden.

7. Planung der Verlegung und des Gedenkakts
Die Verlegungen der Steine durch Gunter Demnig geschehen hintereinander. In der Regel wünschen Angehörige aber auch andere Sponsoren (Vereine, Hausgemeinschaften usw.) ein würdiges und persönliches Gedenken der Opfer, das über die bloße Verlegung hinausgeht.
Dazu gehören z.B.

  1. Verlegung von Blumen und Anzünden von Gedenkkerzen (keine
    Grabkerzen, es handelt sich nicht um eine Beerdigung),
  2. Gebete oder Schweigeminute, evtl. auf Wunsch der Familie ein Rabbiner,
  3. persönliche Ansprachen von Familienmitglieder, Hausbewohner usw.,
  4. Ansprachen von Zeitzeugen, Politiker usw.,
  5. Verlesen der Biografie(n),
  6. Ausstellungen von Fotos oder Dokumente,
  7. musikalische Umrahmung,

Leben die Angehörige oder Sponsoren außerhalb Berlins, übernehmen wir
weitestgehend die Planung, teilweise auch die Durchführung dieses Gedenkakts der in allen Einzelheiten mit den Familien / Patenen im Vorfeld abgesprochen werden muss (auch die Kosten die in der Regel von der Familie / den Sponsoren getragen werden müssen).
Auch wenn Berliner die Verlegung beantragt haben, ist Beratung und Unterstützung sehr oft erforderlich.

8. Rechnungen, Spenden, Zahlungsverkehr
Die Herstellung und Verlegung eines Stolpersteins kostet 120 €. Seit Ende 2017 werden keine Rechnungen an die Angehörigen oder Paten geschickt, sondern Aufforderungen, eine kostendeckende Spende zu leisten. Mittelfristig streben wir an, von den Angehörigen keine Spenden mehr zu fordern, sondern die Kosten durch Spenden der Öffentlichkeit zu decken.

9. Welche Daten werden für die Stolpersteine benötigt?

1.Stolperstein-Inschriften
Für die Inschriften werden folgende Daten benötigt:

  • Vor- und Familienname des Opfers,
  • für Frauen ggf. der Mädchenname,
  • Geburtsdatum,
  • ggf. Verfolgung, Verhaftung, Haftstrafen, geleistete Zwangsarbeit (möglichst mit Angaben:
    von… bis…),
  • Daten zu Flucht, Emigration, Leben im Versteck u.Ä. (möglichst mit Angaben: von… bis…),
  • ggf. Deportationsdatum und –Ziel,
  • ggf. weitere Deportationen,
  • Ort des Todes,
  • falls bekannt, das Datum des Todes.
    Sind die Daten Ihnen nicht bekannt, recherchieren wir in den deutschen und internationalen
    Archiven und teilen Ihnen das Ergebnis mit.

2. Die Biografie
Ziel der Biografie ist es, die Persönlichkeit und Eigenart des Opfers zu würdigen.
So weit bekannt, benötigen wir folgende Daten zur Familie:

  • Vor- und Familienname, Geburtsdatum und -ort, Beruf des Vaters,
  • Vor- und Mädchenname, Geburtsdatum und -ort, ggf. Beruf der Mutter,
  • Vornamen und Geburtsdaten von Geschwistern des Opfers,
  • Wohnort(e) der Familie (von…bis…)

und zum Opfer:

  • Daten zu Schule, Berufsausbildung bzw. -Ausübung,
  • ggf. Daten zur Eheschließung, Familiengründung,
  • ggf. Namen und Geburtsdaten der Kinder,
  • Wohnorte vor und ggf. nach Berlin (von…bis…),
  • ggf. Wohnungswechsel in Berlin (von…bis…),
  • ggf. Daten zu Mitgliedschaft in Vereinen, Verbänden, usw.,
  • ggf. Daten zu politischem / gesellschaftlichem Engagement, Ehrenämter,
  • Anekdoten aus der Familie zur Person des Opfers.

In Ergänzung der Daten für die Stolperstein-Inschrift und zu den erwähnten Angaben für die Biografie, bitten wir um Kopien von Dokumenten aller Art (private Aufzeichnungen, Zeitungsartikel, Heirats- und Geburtsurkunden, Briefe, Fotos) sowie Hinweise auf oder Links zu relevanten Webseiten. Bevor die Biografie oder Fotos und Dokumente im Webportal der Stolpersteine Berlin veröffentlicht wird bekommen die Angehörigen/Paten die Biografie zu lesen.

Weiter Informationen von der Koordinierungsstelle hier.

Stolpersteine – gesellschaftlich wichtig

Gedenk- und Kunstprojekt für Europa –

und ein Vorbild für die Welt 

Teil 1 einer Präsentation von Hannelore Stippel und Georg Frank von der Initiative Stolpersteine Mitte Berlin 

Mit knapp 100.000 Stolpersteinen in 1.800 Städten in 28 Ländern hat Gunter Demnig mit seinem Team ein einmaliges und weltweit anerkanntes Denkmal für Opfer des NS-Terrors erschaffen – eine Mahnung gegen das Vergessen und gegen das Aufkeimen von Hass und Ausgrenzung. 

Recherche für Stolpersteine

Wie kommt es zu der Verlegung von Stolpersteinen?

Teil 2 einer Präsentation von Hannelore Stippel und Georg Frank von der Initiative Stolpersteine Mitte Berlin

Bei unserer Initiative sind es meist Anfragen von Nachfahren, aber auch von anderen Personen – häufig die in einem Haus wohnen oder arbeiten, aus dem Menschen deportiert wurden – die den Prozess zur Verlegung eines Stolpersteins auslösen. Bei den Stolpersteinen, die unsere Initiative betreut (hat), kommen 95 % der Angehörigen aus vielen Ländern der Erde, aus Südafrika, Argentinien, Israel, England und anderen.

Stolperstein-Inschriften

Hinweise des Teams von Gunter Demnig für Stolperstein-Inschriften

Familie Ledermann – 6

Die Informationen, die es zum Rechtsanwalt Dr. Franz Ledermann, seinem Leben und seinem Schicksal noch vor einem halben Jahr (Mitte 2022) gab, waren minimal, einzig seine kurze Zeit in Amsterdam zwischen 1933 und 1942 war in einigen Aspekten bekannt: erneute Ausbildung als Jurist, um in den Niederlanden juristisch verfolgten Juden helfen zu können;  nach der Besetzung Hollands durch Nazi-Deutschland 1942 die zunehmend schwierigere familiäre Situation, dokumentiert in den „Briefen von den Ledermanns“ (1) bis zur Deportation nach Westerbrok und der Ermordung der Familie in Auschwitz (1943).

Putzanleitung für Stolpersteine

Hier eine „Putzanleitung“, die aus den Erfahrungen von Stolpersteine Berlin-Mitte und der SPD-Abteilung Tiergarten Süd gespeist ist.