Das Haus Fürstenberg am Lützowplatz – 8

Im Wiedergutmachungsverfahren Fürstenberg gegen den Verein Berliner Künstler (VbK) wurden die Angehörigen der Familie Fürstenberg durch den Rechtsanwalt (RA) Hans-Georg Tovote, Berlin vertreten, der ihr Familienanwalt bereits vor dem Krieg war und der auch der Testamentsvollstrecker für das Testament von Gustav Fürstenberg war (siehe Teil 6). Der VbK hatte dem Rechtsanwalt (RA) Georg Graul aus Berlin Vollmacht gegeben, seine Angelegenheit zu vertreten.

Runde Eins: Der Ton macht die Musik

Den Auftakt machte RA Tovote in seinem Schriftsatz vom 18. Juli 1950, in der er den VbK als „Rechtsnachfolger eines Nazi-Vereins gleichen Namens“ titulierte (41, Bl. 37). Das hat den vermutlich geschmerzt, weil es nicht der Nachfolger, sondern der gleiche Verein war, den es schon seit 1841 gab (siehe Teil 7); der befand sich aber zumindest seit 1938 fest in der Hand der Nationalsozialisten (39). Der Verweis auf die letzte große Ausstellung des Juden Max Liebermann im Jahre 1927, mit dem RA Graul den Vorwurf zurückwies, half da wenig, Legitimation herzustellen (41, Bl. 90). Stattdessen stilisierte sich Graul selbst als „Opfer der nationalsozialistischen Unterdrückungsmaßnahme“ (41, Bl. 87) und bezweifelte gleichzeitig, dass die Fürstenbergs sich 1938 in einer Zwangslage befunden hätten. 

Dem Prinzip nach war alles strittig, was die Fürstenbergs im Wiedergutmachungsverfahren ab 1948 – zehn Jahre nach ihrer faktischen Enteignung – vorbrachten, vielleicht mit Ausnahme des für das Haus bezahlten Kaufbetrages von 370.000 Reichsmark: dass der Verkauf unter Zwang für die Familie stattfand, dass der Kaufpreis unangemessen war, und dass die Familie Fürstenberg dieses Geld nie erhalten habe. Im Originalton des Anwaltes klang das so: „Inwieweit der Grundstücksverkäufer sich wirklich in einer Zwangslage befunden hat oder sich in einer solchen glaubte, kann – und konnte damals – der Verein nicht übersehen. Dem Verein gegenüber ist jedenfalls diese Zwangslage vom Verkäufer selbst durch eine freiwillige Handlung des Verkaufes unterbrochen worden, indem er nicht etwa einen Käufer an sich herantreten ließ, sondern durch einen Makler dem Verein das Grundstück von sich aus zum Kaufe anbot“ (41, Bl. 88). Mit anderen Worten: Echte Opfer verhalten sich passiv, wer sein Schicksal in die eigene Hand nimmt, verliert die Glaubwürdigkeit.

Im Prinzip verfolgen Rechtsanwälte keine eigenen Interessen (jenseits ihrer Gebührenordnung, die sich über den Streitwert bestimmt), sondern drücken mit ihrer Position die Ansicht ihrer Mandanten aus. In den wenigen Unterlagen des VbK, die wir dazu einsehen konnten, findet sich daher der gleiche aggressive Ton, z.B. in dem oben erwähnten Bericht des Vereinsvorsitzenden Arthur Hoffmann an die Mitglieder von 1956 („… da die Gegner behaupten, keinen Pfennig erhalten zu haben, da der Kaufpreis seinerzeit auf ein Sperrkonto gezahlt werden mußte …“) (37).

Interessant ist, dass die Parteien jenseits ihres Gerichtsstreites immer auch parallel direkt miteinander verhandelt hatten und dies den Akten nicht zu entnehmen ist, solange kein Vergleichsvorschlag zu Protokoll gegeben wird. Ein erster solcher Vergleich wurde gerichtsprotokolliert am 7. November 1950, wonach der VbK der Familie Fürstenberg eine Zahlung von 40.000 DM als Nutzungsentschädigung für die Zeit 1938 bis 1943 anbot, um endgültig Eigentümer zu werden – dies nahmen die Fürstenbergs nicht an. In einem privaten Gegenangebot sollte der VbK noch 100.000 DM an die Familie zahlen, um Mitbesitzer des Hauses zu werden – dies lehnt der VbK ab, nachdem klar wurde, dass dies – trotz Zahlung – auch den Verlust des Gebäudes bedeutete (37). Die Parteien erklärten am 19. September 1952 den Vergleich für gescheitert (41, Bl. 130), und die Verhandlungen gingen in die zweite Runde.

Runde Zwei: Alles ist strittig

Strittig aufgearbeitet werden mussten zunächst die Enteignungsdaten von 1938 und finanziellen Regelungen, mit denen das Deutsche Reich sich des Vermögens der Fürstenberg bemächtigt hatte – bis hin zur Frage, ob über den Kaufpreis überhaupt verfügt werden konnte. Dazu legten die Fürstenbergs viele im Arisierungsverfahren angefallenen Dokumente, Verträge und Verordnungen vor, die – mit Sicherheit – dem VbK zu diesem Zeitpunkt erstmals zu Gesicht kamen.

Als das 1953 Gericht erwog, im Rahmen eines Teilbeschlusses eine Rückübertragung des Grundstücks anzuordnen, legte RA Graul letztmalig eine Stellungnahme vor, in der der das Gericht auf die Notwendigkeit eines „gerechten Ausgleichs“ zwischen den Antragsparteien hingewiesen wurde (42, Bl. 133ff) – offenbar war er selbst nicht in der Lage, dies zwischen den Parteien zu vermitteln. Stattdessen trat ein neuer Anwalt, Dr. Walter Fuhrmann, Berlin auf den Plan (42, Bl. 139), der die weitere Vertretung des VbK übernahm (12. November 1953). RA Fuhrmann verwies unmittelbar auf die vergleichbare Situation der Antragsteller Fürstenberg im parallelen Prozess Fürstenberg gegen Walter Koch (s. unten, WGA-2), bei dem eine Teilentscheidung des Kammergerichts über einer Rückübertragung des Grundstücks Augsburgerstraße 34 im Mai 1952 wieder rückgängig gemacht wurde (43, Bl. 260) und warnte davor, RA Tovote argumentierte dagegen und nannte die Rückerstattungspflicht „absolut entscheidungsreif“ (41, Bl. 166). 

Runde Drei: Sanierung oder Abriss nach dem Krieg

Als die Wohnungen im Hause Lützowplatz 9 im Jahr 1954 baupolizeilich gesperrt wurden (41, Bl 174), forderte RA Tovote am 19. Mai 1954 Ortstermin, Sachverständigengutachten und wegen „Gefahr im Verzug“ eine Änderung der Hausverwaltung. Der Ortstermin unter Beteiligung des Architekten Prof. Sagrekow am 10. Juni 1954 ergab hingegen nur einen gesperrten Raum, ansonsten unfertiger Umbauzustand, und die Parteien einigten sich auf erneute Vergleichsverhandlungen. 

Strittig war nach wie vor der Zustand des Gebäudes nach den Bombardierungen 1943, der Grad der Zerstörung und der Aufwand, der zur Nutzung des Gebäudes als Ausstellungsraum betrieben wurde – allein über diese Kosten gibt es fünf Verfahrensbeiakten (44). Es wurden Gutachten zum Bauzustand 1945 eingeholt, die zum Ergebnis kamen, dass die Zerstörung mehr als 60 bzw. „nur“ 44% betrugen – der Unterschied bedeutete Abriss oder Sanierung (45, Bl. 224) (Bild 40). Es wurden unterschiedliche, alte und aktuelle Verkehrswerte des Grundstücks berechnet und vorgetragen (weniger als 150.000 DM versus 210.000 DM und mehr), entstandene Schäden während des Krieges (45, Bl. 291) und die getätigten Auswendungen des VbK vor Ort begutachtet (46, Bl. 58ff), argumentiert, inwieweit sie werterhaltend oder wertsteigernd waren, getrennt nach Kosten in Reichsmark während des Krieges, und vor und nach der Währungsreform 1948 sowie gegenwärtig (1953).

In der Wahrnehmung des VbK (37) hatte der Verein das Gebäude (bei mehr als 60% Zerstörung) entgegen der Vernunft vor dem Abriss gerettet, daher müsse ihm, bei Rückgabe an die Familie Fürstenberg, diese Kosten erstattet werden, ebenso die Ablösung einer Hypothek.

Bild 40: Selbst Bilder sind nicht immer objektiv, sondern können zugunsten der einen oder der anderen Position herangezogen werden. Das linke Bild (aus: 37) zeigt das Haus und seine Zerstörung nach Kriegsende 1945, und man hat den Eindruck, dass hier nur Abriss hilft. Das rechte Bild (aus: 48) zeigt das Haus nach Räumung des Schutts, vermutlich also Anfang der 50er Jahre und vermittelt den Eindruck einer Beschädigung, die man reparieren kann – was ja dann letztlich auch passiert ist.

Das Finale: Der Vergleich

Gemessen an der gerichtlichen Auseinandersetzung in den drei Phasen, die wir oben berichtet, hätten wir erwartet, dass der Vergleich ein Kompromiss zwischen den Parteien ist; leider haben wir keine Dokumente, die den „privaten“ Verhandlungsprozess zwischen den Parteien dokumentieren. Unabhängig davon entschied das Landgericht am 6. November 1959 nach mündlicher Verhandlung am 28. September und präsentierte eine Teilentscheidung (47, Bl. 11ff) – zu diesem Zeitpunkt hatte der VbK offenbar einen neuen, dritten Rechtsvertreter bestellt, RA Dr. Gregor, Berlin.

Danach wurde die VbK verurteilt, das Grundstück Lützowplatz 9 sowie das 501qm große Zwischenstück (siehe oben, Teil 7) zurückzuerstatten (d.h. die Grundstücke mussten im Grundbuch umgeschrieben werden), und etwaige Kriegssachschädenersatzansprüche und Lastenausgleichsansprüche abzutreten. Eine bestehende Hypothek auf dem Grundstück bleibe bestehen und würde der Familie Fürstenberg als Gesamtschuldner übertragen. Außerdem müsse sie dem VbK Kosten in Höhe von 77.700 DM zzgl. 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1960 zahlen. Dazu solle eine Hypothekenlast in gleicher Höhe auf dem Grundstück eingetragen werden. Weiterhin wurden die Fürstenbergs verurteilt, dem VbK alle Rückerstattung- und Entschädigungsansprüche abzutreten, wenn in entsprechenden Verfahren festgestellt wird, dass solche Ansprüche bestehen. Und jetzt erst kam es zum Vergleich.

Der Vergleich

Die Rechtsanwälte Tovote und Gregor formulierten in einem Eilbrief (41, Bl. 167) am 15. November 1960 an das Kammergericht: Der VbK wolle das Grundstück vorbehaltlich eines Vergleiches weiterveräußern an den Förderkreis Kulturzentrum Berlin e.V., der 1960 zu diesem Zweck von Berliner Sozialdemokraten unter Leitung von Willy Brandt (1913-1992) gegründet worden war (48); man bitte um einen Vergleichstermin beim Kammergericht. Dort verzichteten die Fürstenbergs auf ihren Rückerstattungsanspruch und auf die Rechte aus dem Beschluss vom 28. September 1959 auf das Grundstück Lützowplatz 9, übertrugen das Eigentumsrecht daran und an die 501qm großen Parzelle an den „Förderkreis Kulturzentrum Berlin e.V.“, der das Grundstück Lützowplatz 9 vom VbK erwerben wollte. Im Gegenzug zahlte der VbK an die Familienmitglieder Fürstenberg den Betrag von 100.000 DM. Etwaige Lastenausgleichsansprüche verblieben beim VbK, Ansprüche aus dem Bundesentschädigungsgesetz (wegen der Nicht-Verfügbarkeit des Kaufpreises von 370.000 RM im Jahr 1938) verblieben bei der Familie Fürstenberg.

Der Verkaufsvertrag zwischen dem VbK und dem Förderverein vom 22. November 1960 (45, Bl. 435) sah einen Kaufpreis von 271.507,88 DM vor, davon sollten 100.000 DM an die Familie Fürstenberg überwiesen werden, der Förderverein übernahm die eingetragene Grundschuld von insgesamt 42.000 DM, die verbleibenden 128.000 sollten an den VbK überwiesen werden.

Literatur

Vorbemerkung: Es gibt im Landesarchiv Berlin insgesamt über 30 Akten in den Wiedergutmachungsverfahren der Familie Fürstenberg, mit insgesamt weit über 1500 Blatt, die dieser Auswertung zugrunde liegen. Der Verweis auf einzelne Aktenseiten wird dadurch erschwert, dass viele dieser Akten die gleiche Archiv-Nummerierung tragen (z.B. B Rep. 025-05 Nr. 204/49), die aber oft unterschiedlichen Gerichtsprozess-Akten zugewiesen wurde (z.B. Beiakte 1 bis 10.). Innerhalb einer Akte sind die Seiten nummeriert. Die Zitation erfolgt daher mit Angabe der Seitennummerierung im Text (z.B. 41, Bl. 167)

41. Akte B Rep 025-05 Nr. 204/49 (1)

42. Akte B Rep 025-05 Nr. 204/49 (2)

43. Akte B Rep 025-04 Nr. 482/49 (1) 

44. Akte B Rep 025-04 Nr. 482/49 (5) bis (10)

45. Akte B Rep 025/05 Nr. 204/49 (3)

46. Akte B Rep 025-05 Nr. 204/49 (2)

47. Akte B Rep 025-05 Nr. 5723/5048.

48. https://de.wikipedia.org/wiki/Haus_am_Lützowplatz

Das Haus Fürstenberg am Lützowplatz – 7

Bereits vor dem Tode von Sally Fürstenberg im Juni 1942, spätestens aber nach seinem Tod zogen seine vier Söhne in alle Welt und brachten sich vor den Nazis in Sicherheit. Während und am Ende des Krieges waren sie mit ihren Familien in Ägypten, England, Rhodesien, der Schweiz und den USA, und sie stellten bereits 1948 gemeinsam und konzentriert Anträge auf Restitution ihrer Vermögenswerte, deren Darstellung hier die Familiengeschichte der Familie Fürstenberg beschließen soll. Zuvor jedoch wollen wir ihre jeweils persönlichen Geschichten nacherzählen, soweit wir sie rekonstruieren konnten. Wesentliche Grundlage dafür war ein Bericht, den Paul Fürstenberg dem Leo-Baeck-Institut zur Verfügung stellte (28). Die genealogischen Angaben sind – wie meist – durch Michael Schemann komplettiert worden.

Die Söhne des Egon Fürstenberg

Der Erstgeborene, Paul Philip Hans Fürstenberg, geboren am 30. Juli 1900, heiratete am 26. März 1929 in Berlin Maria Margot Birnholz, geborene Brodnitz, geboren am 10. Januar 1905 in Berlin. Sie war von 1923 bis 1929 verheiratet gewesen mit Joseph Birnholz, und Sophie Birnholz, die Ehefrau von Gustav Fürstenberg (siehe Teil 3), war dessen Schwester. Er (Paul) verbrachte die Kriegszeit in England und führte dort die englische Niederlassung der Firma Reveillon gemeinsam mit seinem Bruder Ulrich. Er ließ sich von seiner Frau scheiden und wanderte wie Ulrich nach Rhodesien aus, vermutlich, um der Internierung in England während des Krieges zu entgehen (Bild 35). In Rhodesien heiratete er am 25. September 1950 Edith Ida Baer, die am 10. Februar 1915 in Worms geboren worden war; seine erste Frau heiratete in England erneut im November 1943 einen bekannten Cricketspieler. Paul und Edith Fürstenberg wanderte in den 50er Jahren in die USA aus, wo sie am 22. November 1966 naturalisiert wurden und sich dann Forbes nannten. Paul Forbes starb am 8. November 1979 in Oakland (Kalifornien), seine Frau verstarb dort am 23. Dezember 2005. In seiner Vermögenserklärung von 1938 (siehe Teil 6) hatte Paul Fürstenberg darauf hingewiesen, dass er zwei minderjährige Kinder habe, Helga Pauline Birnholz (aus der ersten Ehe seiner Frau), geboren am 6. September 1924, und Stephan Egon Albert Fürstenberg, geboren am 18. Mai 1930 aus der Ehe mit Maria Birnholz. Mit seiner zweiten Frau hatte er ein weiteres Kind, dessen Identität bislang geschützt ist.

Bild 35: Biografische Daten der Maria Margot Birnholz, geborene Brodnitz, insbesondere zu ihrem Internierungsaufenthalt auf der Isle of Men 1940-1941. Sie war zu diesem Zeitpunkt geschieden und heiratete 1943 erneut (Quelle: https://www.imuseum.im/search/collections/people/mnh-agent-99845.html)

Der zweitälteste Sohn, Werner Fritz Fürstenberg, geboren am 1. August 1903 in Berlin, zog 1933 nach Holland und heiratete dort am 29. Mai 1936 Käthe Ruth Smoszewski, geboren am 22. Mai 1913 in Posen (Bild 36). Werner leitet das Geschäft in Amsterdam, bis dieses – nach dem Einmarsch der deutschen Armee in den Niederlanden – konfisziert und von der Firma Reiwinkel übernommen wurde, die auch das Geschäft der Firma Rosenhain in Berlin übernommen hatte. Werner und Käthe Fürstenberg hatten zwei Kinder; ihre Tochter Madeline Rose wurde am 2. Oktober 1937 in Amsterdam geborenen, für ein weiteres Kind sind die Geburtsdaten nicht freigegeben. Die Eltern flohen 1942 in letzter Minute vor der Deportation aus Holland in die Schweiz und ließen ihre Tochter bei Freunden in Holland zurück. Sie wurden nach dem Krieg repatriiert und lebten in Amstel, wo Werner Fürstenberg am 15. Februar 1971 verstarb und seine Frau am 20. November 2003 in Amstelveen. Ihre Tochter Madeline war bereits am 3. März 1972 im Alter von nur 34 Jahre verstorben.

Bild 36: Werner Fritz Fürsternberg und seine Käthe Ruth, geborene Smoszewski (Quelle: Ancestry, Fotograph unbekannt um 1935).

Ulrich Ernst Rolf Fürstenberg, geboren am 15. August 1906 in Berlin, übernahm 1936 die Leitung einer Firma Rivoli in London, die 1941 durch deutsche V2-Bomben zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde. Aufgrund seiner Auswanderung wurde er seiner deutschen Staatsangehörigkeit verlustig erklärt. Er heiratete Hilde Eloise Klembt, geboren am 29. Juli 1915 in Bremen. Im Mai 1947 wanderte die Familie nach Rhodesien aus und nahm den Namen Ralph Ernest Forbes an. Ulrich und Hilde Forbes hatten einen Sohn, Roy Ralph Forbes, geboren am 17. Dezember 1947, der 1998 in Leeds, England verstarb. Irgendwann zwischen 1949 und 1988 wanderte die Familie nach Oregon, USA aus, wo Ulrich als Farmer tituliert wird. Ulrich Forbes starb in Turner, OR am 6. Juni 1988, seine Frau verstarb am 31. Oktober 2004 ebenfalls dort.

Der jüngste Sohn der Fürstenbergs, Hellmuth Joachim Moritz, geboren am 7. Juli 1908, wanderte 1937 nach Ägypten aus und leitete dort die Geschäfte der Firma Reveillon bis nach dem Krieg. Er heiratete Sylvia Low, geboren am 20. März 1904 in Vancouver, British Columbia, Kanada, die am 14. Dezember 1966 in Los Angeles, USA starb. Das Ehepaar hatte zwei Töchter: Rosanne J. Fürstenberg, geboren am 25. März 1929 in New York, die am 9. Juni 2008 dort verstarb, und Catherine, geboren 1930 in New York und im gleichen Jahr dort verstorben (?). Nach dem Tod seiner Frau 1966 zog Hellmuth Fürstenberg zurück nach Deutschland; er verstarb am 3. November 1971 in Frankfurt/Main.

Die rechtlichen und finanziellen Regelungen zur Wiedergutmachung 

Als die Fürstenberg-Söhne 1948 den Antrag auf Wiedergutmachung des durch die Nationalsozialisten erlittenen Unrechts stellten, war die rechtliche Regelung dafür noch keineswegs abgeschlossen. Erst am 16. August 1949 wurde das Gesetz Nr. 951 „Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz)“ vom amtierenden Länderrat (den Bundestag gab es noch nicht) auf der Basis von zwei Proklamationen der Militärregierung von 1945 beschlossen. Danach hat „ein Recht auf Wiedergutmachung nach diesem Gesetz …, wer unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (30. Januar 1933 bis 8. Mai 1945) wegen seiner politischen Überzeugung, aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung verfolgt wurde und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat.

Das Gesetz hat in der Folge eine Reihe von Ergänzungen erfahren und wurde 1955 durch den Bundestag neu gefasst. Bis dahin waren insgesamt 418 Millionen DM ausgezahlt worden. Der finanzieller Gesamtaufwand für die Durchführung des Gesetzes in der neuen Fassung wurde auf 6,5 bis 7 Milliarden DM geschätzt, wovon bei Inkrafttreten der Novelle (1. April 1956) rund 1 Milliarde DM gezahlt sein sollten (35). Bis 2022 betrugen die Gesamtleistungen etwa 48 Milliarden Euro (als ca. 94 Milliarden DM), wovon (gerundet) 7 Milliarden auf Kapitalentschädigungen und 41 Milliarden auf Renten entfielen; 40 Milliarden Euro an Zahlungen gingen ins Ausland. Nahezu eine Milliarde DM wurde im Rahmen von Globalabkommen mit den europäischen Nachbarstaaten gezahlt. Insgesamt wurden von 1953 bis 1987 mehr als 4 Millionen Anträge auf Wiedergutmachung gestellt, von denen etwa die Hälfte positiv entschieden wurde und die übrigen je zur Hälfte abgelehnt oder zurückgenommen oder anderswie erledigt wurden (Daten aus (36)). Diese Zahl entspricht jedoch nicht der Anzahl der Antragsteller, die niedriger ist: Wie wir sehen werden, haben die vier Fürstenberg-Söhne insgesamt mehr als 30 gleichlautende Anträge in verschiedenen Wiedergutmachungsverfahren gestellt: gegen den deutschen Staat als Rechtsnachfolger des NS-Regimes, gegen die Firma Reiwinkel bzw. gegen Walter Koch, der die Firma Rosenhain übernommen hatten, und gegen den Verein Berliner Künstler, das das Haus am Lützowplatz erworben hatte; diese Anträge wurden in zwei Verfahren zusammengefasst (siehe unten).

Es versteht sich von selbst, dass bei der Vielzahl solcher Verfahren Irrtümer und Fehlentscheidungen nicht ausgeschlossen werden konnten, ebenso wie es versuchten und erfolgreichen Betrug von Antragstellern gegeben hat. Darüber hinaus ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass der „ideelle Wert“ eines erlittenen Verlustes mit der monetären Berechnung einer Sache (eines Hauses, eines Schmuckstückes etc.) nicht abgeglichen werden kann und immer zu Lasten des subjektiven Wertes gehen muss, da sich Emotionen nicht messen lassen. Die Wiedergutmachungsverfahren der Gebrüder Fürstenberg wurden daher, wie viele andere solcher Verfahren, vielfach mit erstaunlicher Härte auf Seiten der Beklagten geführt, mit Unterstellungen und Vorwürfen, die heute oft erschreckend wirken; davon weiter unten mehr.

Die beiden Wiedergutmachungsverfahren

Die Wiedergutmachungsakten (WGA) im Landesarchiv Berlin lassen sich grob in zwei Komplexe unterteilen:  1. Antrag auf Wiedergutmachung (Restitution) des Verlustes des elterlichen Hauses am Lützowplatz 9 (WGA-1), und 2. Antrag auf Restitution des Verlustes der Firma Rosenhain GmbH und der mit ihren verbundenen Immobilien (WGA-2). Auffallend ist dabei, dass eine Immobilie, Lützowstraße 60, in keinem der beiden Verfahren eine Rolle spielte, auch wenn die Familie dieses Grundstück bereits 1919 erworben hatte und darauf ein eindruckvolles Wohnhaus stand (Bild 37). 

Bild 37: Das Wohnhaus Lützowstraße 60 (rechts) sowie 61, 1938 kurz nach dem Umbau für die Herresplankammer. Das Wohnhaus 60 gehörte zur Hälfte der Familie Fürstenberg (s. unten, Bild 38) (Quelle: Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Akte zur Heeresplankammer, digitalisiert: https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/direktlink/39ded8c4-abd5-4560-9b00-4ad0348fa79a/)

Bei Durchsicht der WGA-1-Akten fiel auf, dass ein Situationsplan der beiden Grundstücke Lützowstr. 60 und Lützowplatz 9 (Bild 38) darauf hinwies, dass es zum Grundstück an der Lützowstraße einen separaten Vertrag vom 28. Februar 1938 mit dem „Reichsfiskus (Heer) = Wehrkreiskommando III“ gegeben hatte, der zur „Auflassung“ und damit zum Verkauf des Geländes und Gebäudes am 29. Juni 1938 führte. Hier zog nach Umbau noch am 1. Oktober 1938 die Heeresplankammer ein. Zu diesem Vorgang gibt es keine Unterlagen, auch die Bauakte fehlt, aber das Fehlen eines Wiedergutmachungsantrags lässt darauf schließen, dass die Fürstenbergs diesen Vertrag noch ohne „Schaden“ abgewickelt haben und den Verkaufspreis, anders also als die beiden „Verkäufe“ zu WGA-1 und WGA-2, ohne Einschränkungen erhalten haben – er hat es ihnen möglicherweise die Flucht erst ermöglicht. Interessanterweise war das Gartengelände hinter diesem Haus Lützowstraße 60 wiederum Teil des Kaufvertrags mit dem Verein Berliner Künstler (VbK) vom 7. Dezember 1938 war. Nach Auffassung der Familie Fürstenberg war einzig ein 510qm großes Grundstück zwischen den beiden Grundstücken aus jeglicher Vereinbarung herausgefallen und wurde in WGA-1-Verfahren geltend gemacht.

Bild 38: Grundstückplan der Häuser Lützowstrasse 60 und 60a. Das Grundstück 60a (rot) war im Februar 1938 an das Deutsche Reich verkauft worden, das dazugehörige Gartenstück (blau) zusammen mit den Haus Lützowplatz 9 (blau, straffiert) im Dezember des gleichen Jahres
an den Verein Berliner Künstler (Quelle: Wiedergutmachungsakte im Landesarchiv Berlin, B Rep. 025-05 Nr. 204/49, Blatt 80).

Der Verein Berliner Künstler (VbK)

Elf Jahre nach dem Krieg und 18 Jahre nach dem Erwerb des Hauses Lützowplatz 9 (früher: 5), 1956, legte der Verein in einem Bericht (in 7 Teilen) an seine Mitglieder (37) Rechenschaft ab über die Geschichte des Vereins, insbesondere in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg. Der 1841 gegründete Verein residierte von 1898 bis 1928 in der Bellevuestraße 3, war aber „aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten“ gezwungen, dieses Haus zu verkaufen. In einem Bieterstreit zwischen Wertheim, Eigentümer des Kaufhauses im Leipziger Platz nebenan, und der französischen Kaufhauskette Lafayette, die in Berlin Fuß fassen wollte, wurde dem Verein von Wertheim 3,1 Millionen Reichsmark für das Haus geboten (davon 1 Million als Hypothek auf das Grundstück) und der Kauf besiegelt. Von diesem Geld erwarb der VbK die Villa des Barons Erich von Goldschmidt-Rothschild in der Tiergartenstraße 2a (Bild 39), die umgebaut und für die Zwecke des Vereins eingerichtet (Gesamtkosten: etwa 700.000 RM) und 1931 eingeweiht wurde. Das verbleibende Vermögen, immerhin noch 1,5 Millionen RM, erlaubte dem Verein üppige Ausstellungstätigkeit in den nächsten Jahren, bis nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 sich alles änderte: NSDAP-Mitglieder übernahmen den Vorstand (1935), jüdische Vereinsmitglieder mussten den Verein verlassen, und der Plan für die Nord-Süd-Achse der neuen Hauptstadt Germania des Albert Speer (38) machte allen klar, dass auch das Haus Tiergartenstraße 2 nicht mehr lange bleiben konnte. In dieser Situation, so der Bericht, „wendet sich die jüdische Familie Fürstenberg (Egon Sally Fürstenberg) an den Verein und bietet dem Verein ihr Haus Lützowplatz 9 an. … Der Verein … geht auf das Anerbieten ein …und erwirbt nach einer vierteljährlichen Verhandlung das angebotene Haus …“ für 370.000 RM am 10 Dezember 1938 – Ende des 6. Teils des Berichtes. 

Bild 39: Das Künstlerhaus in der Bellevuestraße 3 (links) (Foto von 1900, Fotograf unbekannt) und das Vereinshaus ab 1928 in der Tiergartenstraße 2A (Foto von 1935, Fotograf: Walter Köster, Landesarchiv Berlin Nr. F 290 (08) Nr. 0152454 mit freundlicher Genehmigung).

Was hier aussieht wie ein freundliches Entgegenkommen auf das Angebot der Fürstenbergs ist in Wahrheit ein Ausnutzen der Notlage der Familie – die vierteljährliche Verhandlung wird also eher dem Zwecke gedient haben, den Preis zu drücken, wussten doch alle Beteiligten (insbesondere der aus Parteimitgliedern bestehende Vorstand) im Frühjahr 1938 um die systematische Arisierung jüdischer Geschäfte und Immobilien. Dass die Familie Fürstenberg sich aktiv an der Suche nach einem Käufer beteiligt hat, ist dagegen sehr wahrscheinlich, das hat sie auch im Zuge der „Entjudung“ der Firma Rosenhain gemacht (s. oben, Teil 6). Später (33) wird aus dem freundlichen „Anerbieten“ sogar noch die historisch falsche Behauptung, dieses Angebot sei vom zum VbK gehörenden ausserordentlichen Vereinsmitglied Egon Sally Fürstenberg gekommen (s. oben, Teil 6), schamloser geht es kaum. An anderem Ort und nach dem Krieg wird dieses „Angebot“ sehr wohl in Anführungszeichen gesetzt (39).

Im 7. Teil des VbK-Berichtes geht es dann um das Restitutionsverfahren selbst, das 1949 begann – der „große Umbruch des Reiches“ und der „furchtbare Krieg“ dazwischen kommen sehr kurz weg, die 100-Jahr-Feier seiner Existenz 1941 unter dem Hakenkreuz überhaupt nicht – sie finden sich in anderen Dokumenten ihrer Zeit (40). Dieser 7. Teil fasst die Auseinandersetzungen zwischen dem VbK und den Fürstenberg-Söhnen bis 1956 zusammen und endet 1956; der VbK wird noch weitere drei Jahre warten müssen, bis ein Urteil des Landgerichts Berlin am 6. November 1959 den Streit beendet – und er wird dabei die meisten seiner initial erhobenen Ansprüche und Forderungen verlieren. Einen finalen Teil des Berichtes gibt es nicht, zumindest nicht im Archiv der Akademie der Künste (38).

Literatur

35. https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesentschädigungsgesetz

36. Bundesministerium der Finanzen: Wiedergutmachung – Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht. Im Internet: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2018-03-05-entschaedigung-ns-unrecht.pdf

37. Archiv der Akademie der Künste (AdK): Archivalien-Nr. VereinBK Nr. 27 (Manuskript der Chronik von Arthur Hoffmann von 1956), und Nr. 713 (Schreiben des Rechtanwaltes Graul vom Dezember 1952).

38. Hans J. Reichhardt, Wolfgang Schäche: Von Berlin nach Germania. Über die Zerstörung der Reichshauptstadt durch Albert Speers Neugestaltungsplanungen. Transit Buch-Verlag 1984.

39. Martin-M. Langner: Der Verein Berliner Künstler zwischen 1930 und 1945. In: Verein Berliner Künstler: Versuch einer Bestandsaufnahme von 1841 bis zur Gegenwart. Berlin, Nikolaische Verlagsbuchhandlung 1991 (hier: Seite 110).

40. Die Kunst im Deutschen Reich, 5. Jahrgang, Folge 8/9 (August/September) 1941 (Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf. München), S. 182-187.