Das Haus Fürstenberg am Lützowplatz – 7

Bereits vor dem Tode von Sally Fürstenberg im Juni 1942, spätestens aber nach seinem Tod zogen seine vier Söhne in alle Welt und brachten sich vor den Nazis in Sicherheit. Während und am Ende des Krieges waren sie mit ihren Familien in Ägypten, England, Rhodesien, der Schweiz und den USA, und sie stellten bereits 1948 gemeinsam und konzentriert Anträge auf Restitution ihrer Vermögenswerte, deren Darstellung hier die Familiengeschichte der Familie Fürstenberg beschließen soll. Zuvor jedoch wollen wir ihre jeweils persönlichen Geschichten nacherzählen, soweit wir sie rekonstruieren konnten. Wesentliche Grundlage dafür war ein Bericht, den Paul Fürstenberg dem Leo-Baeck-Institut zur Verfügung stellte (28). Die genealogischen Angaben sind – wie meist – durch Michael Schemann komplettiert worden.

Die Söhne des Egon Fürstenberg

Der Erstgeborene, Paul Philip Hans Fürstenberg, geboren am 30. Juli 1900, heiratete am 26. März 1929 in Berlin Maria Margot Birnholz, geborene Brodnitz, geboren am 10. Januar 1905 in Berlin. Sie war von 1923 bis 1929 verheiratet gewesen mit Joseph Birnholz, und Sophie Birnholz, die Ehefrau von Gustav Fürstenberg (siehe Teil 3), war dessen Schwester. Er (Paul) verbrachte die Kriegszeit in England und führte dort die englische Niederlassung der Firma Reveillon gemeinsam mit seinem Bruder Ulrich. Er ließ sich von seiner Frau scheiden und wanderte wie Ulrich nach Rhodesien aus, vermutlich, um der Internierung in England während des Krieges zu entgehen (Bild 35). In Rhodesien heiratete er am 25. September 1950 Edith Ida Baer, die am 10. Februar 1915 in Worms geboren worden war; seine erste Frau heiratete in England erneut im November 1943 einen bekannten Cricketspieler. Paul und Edith Fürstenberg wanderte in den 50er Jahren in die USA aus, wo sie am 22. November 1966 naturalisiert wurden und sich dann Forbes nannten. Paul Forbes starb am 8. November 1979 in Oakland (Kalifornien), seine Frau verstarb dort am 23. Dezember 2005. In seiner Vermögenserklärung von 1938 (siehe Teil 6) hatte Paul Fürstenberg darauf hingewiesen, dass er zwei minderjährige Kinder habe, Helga Pauline Birnholz (aus der ersten Ehe seiner Frau), geboren am 6. September 1924, und Stephan Egon Albert Fürstenberg, geboren am 18. Mai 1930 aus der Ehe mit Maria Birnholz. Mit seiner zweiten Frau hatte er ein weiteres Kind, dessen Identität bislang geschützt ist.

Bild 35: Biografische Daten der Maria Margot Birnholz, geborene Brodnitz, insbesondere zu ihrem Internierungsaufenthalt auf der Isle of Men 1940-1941. Sie war zu diesem Zeitpunkt geschieden und heiratete 1943 erneut (Quelle: https://www.imuseum.im/search/collections/people/mnh-agent-99845.html)

Der zweitälteste Sohn, Werner Fritz Fürstenberg, geboren am 1. August 1903 in Berlin, zog 1933 nach Holland und heiratete dort am 29. Mai 1936 Käthe Ruth Smoszewski, geboren am 22. Mai 1913 in Posen (Bild 36). Werner leitet das Geschäft in Amsterdam, bis dieses – nach dem Einmarsch der deutschen Armee in den Niederlanden – konfisziert und von der Firma Reiwinkel übernommen wurde, die auch das Geschäft der Firma Rosenhain in Berlin übernommen hatte. Werner und Käthe Fürstenberg hatten zwei Kinder; ihre Tochter Madeline Rose wurde am 2. Oktober 1937 in Amsterdam geborenen, für ein weiteres Kind sind die Geburtsdaten nicht freigegeben. Die Eltern flohen 1942 in letzter Minute vor der Deportation aus Holland in die Schweiz und ließen ihre Tochter bei Freunden in Holland zurück. Sie wurden nach dem Krieg repatriiert und lebten in Amstel, wo Werner Fürstenberg am 15. Februar 1971 verstarb und seine Frau am 20. November 2003 in Amstelveen. Ihre Tochter Madeline war bereits am 3. März 1972 im Alter von nur 34 Jahre verstorben.

Bild 36: Werner Fritz Fürsternberg und seine Käthe Ruth, geborene Smoszewski (Quelle: Ancestry, Fotograph unbekannt um 1935).

Ulrich Ernst Rolf Fürstenberg, geboren am 15. August 1906 in Berlin, übernahm 1936 die Leitung einer Firma Rivoli in London, die 1941 durch deutsche V2-Bomben zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde. Aufgrund seiner Auswanderung wurde er seiner deutschen Staatsangehörigkeit verlustig erklärt. Er heiratete Hilde Eloise Klembt, geboren am 29. Juli 1915 in Bremen. Im Mai 1947 wanderte die Familie nach Rhodesien aus und nahm den Namen Ralph Ernest Forbes an. Ulrich und Hilde Forbes hatten einen Sohn, Roy Ralph Forbes, geboren am 17. Dezember 1947, der 1998 in Leeds, England verstarb. Irgendwann zwischen 1949 und 1988 wanderte die Familie nach Oregon, USA aus, wo Ulrich als Farmer tituliert wird. Ulrich Forbes starb in Turner, OR am 6. Juni 1988, seine Frau verstarb am 31. Oktober 2004 ebenfalls dort.

Der jüngste Sohn der Fürstenbergs, Hellmuth Joachim Moritz, geboren am 7. Juli 1908, wanderte 1937 nach Ägypten aus und leitete dort die Geschäfte der Firma Reveillon bis nach dem Krieg. Er heiratete Sylvia Low, geboren am 20. März 1904 in Vancouver, British Columbia, Kanada, die am 14. Dezember 1966 in Los Angeles, USA starb. Das Ehepaar hatte zwei Töchter: Rosanne J. Fürstenberg, geboren am 25. März 1929 in New York, die am 9. Juni 2008 dort verstarb, und Catherine, geboren 1930 in New York und im gleichen Jahr dort verstorben (?). Nach dem Tod seiner Frau 1966 zog Hellmuth Fürstenberg zurück nach Deutschland; er verstarb am 3. November 1971 in Frankfurt/Main.

Die rechtlichen und finanziellen Regelungen zur Wiedergutmachung 

Als die Fürstenberg-Söhne 1948 den Antrag auf Wiedergutmachung des durch die Nationalsozialisten erlittenen Unrechts stellten, war die rechtliche Regelung dafür noch keineswegs abgeschlossen. Erst am 16. August 1949 wurde das Gesetz Nr. 951 „Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz)“ vom amtierenden Länderrat (den Bundestag gab es noch nicht) auf der Basis von zwei Proklamationen der Militärregierung von 1945 beschlossen. Danach hat „ein Recht auf Wiedergutmachung nach diesem Gesetz …, wer unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (30. Januar 1933 bis 8. Mai 1945) wegen seiner politischen Überzeugung, aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung verfolgt wurde und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat.

Das Gesetz hat in der Folge eine Reihe von Ergänzungen erfahren und wurde 1955 durch den Bundestag neu gefasst. Bis dahin waren insgesamt 418 Millionen DM ausgezahlt worden. Der finanzieller Gesamtaufwand für die Durchführung des Gesetzes in der neuen Fassung wurde auf 6,5 bis 7 Milliarden DM geschätzt, wovon bei Inkrafttreten der Novelle (1. April 1956) rund 1 Milliarde DM gezahlt sein sollten (35). Bis 2022 betrugen die Gesamtleistungen etwa 48 Milliarden Euro (als ca. 94 Milliarden DM), wovon (gerundet) 7 Milliarden auf Kapitalentschädigungen und 41 Milliarden auf Renten entfielen; 40 Milliarden Euro an Zahlungen gingen ins Ausland. Nahezu eine Milliarde DM wurde im Rahmen von Globalabkommen mit den europäischen Nachbarstaaten gezahlt. Insgesamt wurden von 1953 bis 1987 mehr als 4 Millionen Anträge auf Wiedergutmachung gestellt, von denen etwa die Hälfte positiv entschieden wurde und die übrigen je zur Hälfte abgelehnt oder zurückgenommen oder anderswie erledigt wurden (Daten aus (36)). Diese Zahl entspricht jedoch nicht der Anzahl der Antragsteller, die niedriger ist: Wie wir sehen werden, haben die vier Fürstenberg-Söhne insgesamt mehr als 30 gleichlautende Anträge in verschiedenen Wiedergutmachungsverfahren gestellt: gegen den deutschen Staat als Rechtsnachfolger des NS-Regimes, gegen die Firma Reiwinkel bzw. gegen Walter Koch, der die Firma Rosenhain übernommen hatten, und gegen den Verein Berliner Künstler, das das Haus am Lützowplatz erworben hatte; diese Anträge wurden in zwei Verfahren zusammengefasst (siehe unten).

Es versteht sich von selbst, dass bei der Vielzahl solcher Verfahren Irrtümer und Fehlentscheidungen nicht ausgeschlossen werden konnten, ebenso wie es versuchten und erfolgreichen Betrug von Antragstellern gegeben hat. Darüber hinaus ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass der „ideelle Wert“ eines erlittenen Verlustes mit der monetären Berechnung einer Sache (eines Hauses, eines Schmuckstückes etc.) nicht abgeglichen werden kann und immer zu Lasten des subjektiven Wertes gehen muss, da sich Emotionen nicht messen lassen. Die Wiedergutmachungsverfahren der Gebrüder Fürstenberg wurden daher, wie viele andere solcher Verfahren, vielfach mit erstaunlicher Härte auf Seiten der Beklagten geführt, mit Unterstellungen und Vorwürfen, die heute oft erschreckend wirken; davon weiter unten mehr.

Die beiden Wiedergutmachungsverfahren

Die Wiedergutmachungsakten (WGA) im Landesarchiv Berlin lassen sich grob in zwei Komplexe unterteilen:  1. Antrag auf Wiedergutmachung (Restitution) des Verlustes des elterlichen Hauses am Lützowplatz 9 (WGA-1), und 2. Antrag auf Restitution des Verlustes der Firma Rosenhain GmbH und der mit ihren verbundenen Immobilien (WGA-2). Auffallend ist dabei, dass eine Immobilie, Lützowstraße 60, in keinem der beiden Verfahren eine Rolle spielte, auch wenn die Familie dieses Grundstück bereits 1919 erworben hatte und darauf ein eindruckvolles Wohnhaus stand (Bild 37). 

Bild 37: Das Wohnhaus Lützowstraße 60 (rechts) sowie 61, 1938 kurz nach dem Umbau für die Herresplankammer. Das Wohnhaus 60 gehörte zur Hälfte der Familie Fürstenberg (s. unten, Bild 38) (Quelle: Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Akte zur Heeresplankammer, digitalisiert: https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/direktlink/39ded8c4-abd5-4560-9b00-4ad0348fa79a/)

Bei Durchsicht der WGA-1-Akten fiel auf, dass ein Situationsplan der beiden Grundstücke Lützowstr. 60 und Lützowplatz 9 (Bild 38) darauf hinwies, dass es zum Grundstück an der Lützowstraße einen separaten Vertrag vom 28. Februar 1938 mit dem „Reichsfiskus (Heer) = Wehrkreiskommando III“ gegeben hatte, der zur „Auflassung“ und damit zum Verkauf des Geländes und Gebäudes am 29. Juni 1938 führte. Hier zog nach Umbau noch am 1. Oktober 1938 die Heeresplankammer ein. Zu diesem Vorgang gibt es keine Unterlagen, auch die Bauakte fehlt, aber das Fehlen eines Wiedergutmachungsantrags lässt darauf schließen, dass die Fürstenbergs diesen Vertrag noch ohne „Schaden“ abgewickelt haben und den Verkaufspreis, anders also als die beiden „Verkäufe“ zu WGA-1 und WGA-2, ohne Einschränkungen erhalten haben – er hat es ihnen möglicherweise die Flucht erst ermöglicht. Interessanterweise war das Gartengelände hinter diesem Haus Lützowstraße 60 wiederum Teil des Kaufvertrags mit dem Verein Berliner Künstler (VbK) vom 7. Dezember 1938 war. Nach Auffassung der Familie Fürstenberg war einzig ein 510qm großes Grundstück zwischen den beiden Grundstücken aus jeglicher Vereinbarung herausgefallen und wurde in WGA-1-Verfahren geltend gemacht.

Bild 38: Grundstückplan der Häuser Lützowstrasse 60 und 60a. Das Grundstück 60a (rot) war im Februar 1938 an das Deutsche Reich verkauft worden, das dazugehörige Gartenstück (blau) zusammen mit den Haus Lützowplatz 9 (blau, straffiert) im Dezember des gleichen Jahres
an den Verein Berliner Künstler (Quelle: Wiedergutmachungsakte im Landesarchiv Berlin, B Rep. 025-05 Nr. 204/49, Blatt 80).

Der Verein Berliner Künstler (VbK)

Elf Jahre nach dem Krieg und 18 Jahre nach dem Erwerb des Hauses Lützowplatz 9 (früher: 5), 1956, legte der Verein in einem Bericht (in 7 Teilen) an seine Mitglieder (37) Rechenschaft ab über die Geschichte des Vereins, insbesondere in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg. Der 1841 gegründete Verein residierte von 1898 bis 1928 in der Bellevuestraße 3, war aber „aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten“ gezwungen, dieses Haus zu verkaufen. In einem Bieterstreit zwischen Wertheim, Eigentümer des Kaufhauses im Leipziger Platz nebenan, und der französischen Kaufhauskette Lafayette, die in Berlin Fuß fassen wollte, wurde dem Verein von Wertheim 3,1 Millionen Reichsmark für das Haus geboten (davon 1 Million als Hypothek auf das Grundstück) und der Kauf besiegelt. Von diesem Geld erwarb der VbK die Villa des Barons Erich von Goldschmidt-Rothschild in der Tiergartenstraße 2a (Bild 39), die umgebaut und für die Zwecke des Vereins eingerichtet (Gesamtkosten: etwa 700.000 RM) und 1931 eingeweiht wurde. Das verbleibende Vermögen, immerhin noch 1,5 Millionen RM, erlaubte dem Verein üppige Ausstellungstätigkeit in den nächsten Jahren, bis nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 sich alles änderte: NSDAP-Mitglieder übernahmen den Vorstand (1935), jüdische Vereinsmitglieder mussten den Verein verlassen, und der Plan für die Nord-Süd-Achse der neuen Hauptstadt Germania des Albert Speer (38) machte allen klar, dass auch das Haus Tiergartenstraße 2 nicht mehr lange bleiben konnte. In dieser Situation, so der Bericht, „wendet sich die jüdische Familie Fürstenberg (Egon Sally Fürstenberg) an den Verein und bietet dem Verein ihr Haus Lützowplatz 9 an. … Der Verein … geht auf das Anerbieten ein …und erwirbt nach einer vierteljährlichen Verhandlung das angebotene Haus …“ für 370.000 RM am 10 Dezember 1938 – Ende des 6. Teils des Berichtes. 

Bild 39: Das Künstlerhaus in der Bellevuestraße 3 (links) (Foto von 1900, Fotograf unbekannt) und das Vereinshaus ab 1928 in der Tiergartenstraße 2A (Foto von 1935, Fotograf: Walter Köster, Landesarchiv Berlin Nr. F 290 (08) Nr. 0152454 mit freundlicher Genehmigung).

Was hier aussieht wie ein freundliches Entgegenkommen auf das Angebot der Fürstenbergs ist in Wahrheit ein Ausnutzen der Notlage der Familie – die vierteljährliche Verhandlung wird also eher dem Zwecke gedient haben, den Preis zu drücken, wussten doch alle Beteiligten (insbesondere der aus Parteimitgliedern bestehende Vorstand) im Frühjahr 1938 um die systematische Arisierung jüdischer Geschäfte und Immobilien. Dass die Familie Fürstenberg sich aktiv an der Suche nach einem Käufer beteiligt hat, ist dagegen sehr wahrscheinlich, das hat sie auch im Zuge der „Entjudung“ der Firma Rosenhain gemacht (s. oben, Teil 6). Später (33) wird aus dem freundlichen „Anerbieten“ sogar noch die historisch falsche Behauptung, dieses Angebot sei vom zum VbK gehörenden ausserordentlichen Vereinsmitglied Egon Sally Fürstenberg gekommen (s. oben, Teil 6), schamloser geht es kaum. An anderem Ort und nach dem Krieg wird dieses „Angebot“ sehr wohl in Anführungszeichen gesetzt (39).

Im 7. Teil des VbK-Berichtes geht es dann um das Restitutionsverfahren selbst, das 1949 begann – der „große Umbruch des Reiches“ und der „furchtbare Krieg“ dazwischen kommen sehr kurz weg, die 100-Jahr-Feier seiner Existenz 1941 unter dem Hakenkreuz überhaupt nicht – sie finden sich in anderen Dokumenten ihrer Zeit (40). Dieser 7. Teil fasst die Auseinandersetzungen zwischen dem VbK und den Fürstenberg-Söhnen bis 1956 zusammen und endet 1956; der VbK wird noch weitere drei Jahre warten müssen, bis ein Urteil des Landgerichts Berlin am 6. November 1959 den Streit beendet – und er wird dabei die meisten seiner initial erhobenen Ansprüche und Forderungen verlieren. Einen finalen Teil des Berichtes gibt es nicht, zumindest nicht im Archiv der Akademie der Künste (38).

Literatur

35. https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesentschädigungsgesetz

36. Bundesministerium der Finanzen: Wiedergutmachung – Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht. Im Internet: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2018-03-05-entschaedigung-ns-unrecht.pdf

37. Archiv der Akademie der Künste (AdK): Archivalien-Nr. VereinBK Nr. 27 (Manuskript der Chronik von Arthur Hoffmann von 1956), und Nr. 713 (Schreiben des Rechtanwaltes Graul vom Dezember 1952).

38. Hans J. Reichhardt, Wolfgang Schäche: Von Berlin nach Germania. Über die Zerstörung der Reichshauptstadt durch Albert Speers Neugestaltungsplanungen. Transit Buch-Verlag 1984.

39. Martin-M. Langner: Der Verein Berliner Künstler zwischen 1930 und 1945. In: Verein Berliner Künstler: Versuch einer Bestandsaufnahme von 1841 bis zur Gegenwart. Berlin, Nikolaische Verlagsbuchhandlung 1991 (hier: Seite 110).

40. Die Kunst im Deutschen Reich, 5. Jahrgang, Folge 8/9 (August/September) 1941 (Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf. München), S. 182-187.

Gedenkveranstaltung für die vergessene Berliner Malerin Eugenie Fuchs

Vor dem Gebäude der Urania, An der Urania Nr. 7, wurde am
Sonntag, 22. Oktober 2023, ein Stolperstein zum Gedenken an die jüdische Malerin Eugenie Fuchs verlegt.

Selbstbildnis Eugenie Fuchs

Eugenie Fuchs, geboren 1873 in Berlin, hatte viele Jahre in Schöneberg, an der ehemaligen Nettelbeckstraße gewohnt. 1933 musste sie Berlin verlassen und ging ins sicher geglaubte Exil in Paris. Von dort wurde sie 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Rabbinerin Jasmin Andriani sang und sprach anlässlich der Stolpersteinverlegung ein Kaddish für Eugenie Fuchs. Andriani wies darauf hin, dass ein Kaddish am Grab eines Verstorbenen gesprochen werden soll, da Eugenie Fuchs aber kein Grab habe, käme dieser Stolperstein ihrem Grab am nächsten.

Gedenken an Eugenie Fuchs anlässlich der Stolpersteinverlegung

Rund 40 Personen nahmen an der Verlegung des Stolpersteins teil, die unter erhöhtem Polizeischutz stattfand.

Stolperstein für Eugenie Fuchs

Zuvor gab es in der Urania eine Gedenkveranstaltung, in der das Leben und das künstlerische Werk von Eugenie Fuchs gewürdigt wurde. Die Ehrung fand im Kleist-Saal statt, einem holzgetäfelten großen Raum, der bis 1937 einer jüdischen Loge gehörte, deren Vorsitzender Leo Baeck war.

Kultursenator Joe Chialo sprach ein Grußwort anlässlich der Gedenkveranstaltung in der Urania

Berlins Kultursenator Joe Chialo sprach anerkennende Worte über das Werk der zu Unrecht vergessenen Berliner Malerin Eugenie Fuchs. Erinnern sei wichtig, so Chialo, gerade in der gegenwärtigen Situation, damit sich Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen nicht wiederholen.

Im Anschluss berichtete Paul Spies, Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin, über seine sehr persönliche Verbindung zu Eugenie Fuchs. Im Rahmen der Vorbereitung einer Ausstellung mit dem Titel „Geraubte Mitte“ hatte Spies von der vergessenen Malerin erfahren und stellte fest „sie konnte malen“; eines ihrer Bilder konnte Spies für das Stadtmuseum erwerben.

Paul Spies, Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin, im Kleist-Saal der Urania

Paul Spies wies auf das Schicksal vieler jüdischer Künstler*innen hin, die, von den Nationalsozialisten vertrieben und ermordet wurden. Es sei wichtig, an ihr Leben und Werk zu erinnern, gerade angesichts der gegenwärtigen Ereignisse im Nahen Osten.

Lutz Mauersberger, der vor wenigen Tagen sein neues Buch (1) über Eugenie Fuchs vorgelegt hat, berichtete sehr kenntnisreich über seine Recherchen zu Leben und Werk der Künstlerin. Nur etwa 10 ihrer Werke waren bisher aufzufinden, vermutlich sind viele Bilder für immer verloren. In den Zwanziger Jahren sei ihre Beteiligung an zahlreichen Ausstellungen nachweisbar. Er freue sich, so Mauersberger, dass zum 150. Geburtstag der Künstlerin erstmals wieder Menschen von ihrem Schicksal erfahren.

Autor Lutz Mauersberger beim Vortrag in der Urania

Judenhäuser in Tiergarten-Süd

Bild: Blick in den Blumeshof vom Schöneberger Ufer aus. Foto (Postkarte) von 1903 aus der Sammlung Ralf Schmiedecke mit freundlicher Genehmigung. Das 2. Haus auf der linken Seite ist die Nr. 15.

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Am 16. Oktober 2023 wurde eine Webseite freigeschaltet, die zu besuchen sich lohnt für alle, die sich für jüdische Geschichte, insbesondere für Berliner jüdische Geschichte interessieren, und auch diejenigen, die dies vielleicht nicht besonders wichtig finden, können hier lernen, wie man Geschichte hier und heute sichtbar machen kann, erzählen kann, ohne auf trockenes Lehrbuchwissen zurückzugreifen und auf längst und oft Gehörtes. 

Die Webseite heißt www.zwangsräume.berlin und erzählt einen vergessenen und/oder verdrängten Aspekt der Vertreibung der Juden aus Deutschland, ihrer Heimat, durch sukzessive Zusammenlegung in Häusern in der Stadt, die Juden gehörten und die lange von der „Entjudung“ verschont blieben zu genau diesem Zweck: „Ab 1939 musste fast die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Berlins ihre Wohnungen verlassen und umziehen. Jüdinnen:Juden wurden als Untermieter:innen in Wohnungen eingewiesen, in denen bereits andere jüdische Mieter:innen lebten. Zumeist waren die Zwangswohnungen der letzte Wohnort vor ihrer Deportation und Ermordung“

Die Arbeitsgruppe „Zwangsräume“ des Vereins „Aktives Museum“ um den Historiker Christoph Kreutzmüller, der schon 2012 das verdienstvolle Projekt über die Vernichtung der jüdischen Gewerbetätigkeit veröffentlicht hatte (1), identifizierte in Berlin mindestens 791 solcher Häuser, die auf dieser Webseite genannt – und auf einem Stadtplan lokalisiert – werden, von denen bislang 32 ausführlicher recherchiert, mit Fotos versehen und optisch und graphisch eindrucksvoll erfahrbar gemacht wurden – darunter sieben im Lützowviertel zwischen Kurfürstenstraße und Landwehrkanal, Flottwellstraße und Budapester Straße. Unter den 32 aufgearbeiteten Beispielen von Judenhäusern ist auch das Haus Blumeshof 15, dessen Geschichte und Vorgeschichte wir mehrfach berührt hatten (mittendran vom 15. Juli 2021, vom 6. Januar 2023 und vom 7. September 2023) (Bild).

Aber wie immer gibt es noch Platz für Veränderungen und Verbesserungen – drei Anmerkungen:

1. Blumeshof 15 (heute Kluckstraße 3) existierte natürlich schon länger, vor dem Aufkauf durch die jüdische Gemeinde (1918) war es im Besitz der jüdischen Familie (Witwe) Gerson, die es vermutlich der Gemeinde verkauft/geschenkt hat. Auch das ist Teil der Geschichte.

2. Lützowstraße 48-49 war in den Jahren ab 1933 ein jüdisches Altersheim, worüber wir hier berichtet haben (mittendran von 8. Mai 2022 und vom 28. August 2023), die Häuser wurden 1933 gekauft von der jüdischen Gemeinde, und auch hier wurde „verdichtet“, d.h. zwangsweise wurden Bewohner zusammengelegt aus anderen Heimen und von auswärts. Am Ende waren es etwa 180 Bewohner, mehr als ursprünglich vorgesehen.

3. Als das Reichsicherheitshauptamt (RSHA) die Immobilie (Nr. 48 + 49) 1940 übernehmen wollte, wurde das Altersheim Lützowstraße 48/49 am 10. November 1940 aufgelöst, und 100 bis 125 Bewohner (genauso ungenau steht es in den Akten) wurden in ein Altersheim nach Pankow (Berliner Straße 120/121) verlegt und später von dort deportiert und ermordet. 

Die übrigen Heimbewohner wurden auf folgende Adressen verteilt: In die Lützowstraße 77 (heute: 78) kamen 22 Bewohner und 3 Angestellte; in die Lützowstraße 67 verlegt wurden 15 Bewohner und 1 Angestellte; in die Derfflingerstraße 17 kamen 14 Bewohner und 2 Angestellte; und in der Kluckstraße 27 und in der Lützowstraße 72 wurden 3 bzw. 1 „Externer“ als Untermieter untergebracht. Dies macht zusammen 55 Heimbewohner und 6 Angestellte. Deren Wohn-und Lebensbedingungen und weiteres Schicksal ist bislang weitgehend ungeklärt. Es ist also noch viel zu tun.

1. Christoph Kreutzmüller: Ausverkauf. Die Vernichtung der jüdischen Gewerbetätigkeit in Berlin 1930–1945, Berlin 2012 (2. Auflage Berlin 2013).

Jüdische Geschichte in Tiergarten-Süd: Die nicht-gebaute Synagoge im Hansa-Viertel

Es gibt mehr als einen Grund, warum diese Synagoge nicht gebaut wurde, aber in jedem Fall ist es sehr schade: Sie wäre sicherlich die modernste der Berliner Synagogen geworden, hätte sie die Stürme der Zeit, die Pogrom-Nacht 1938, die Bombardierungen ab 1942 und Straßenkämpfe 1945 überdauert. Es sollte allerdings eine orthodoxe Synagoge werden, was sicherlich ein starker, reizvoller Kontrast geworden wäre, aber auch ein weiterer Grund, warum diese Synagoge nicht gebaut werden konnte. 

Eine Synagoge für das Hansaviertel

Den sukzessiven Umzug eines Teils der jüdischen Bevölkerung Berlins vom – ärmeren – Nordosten in den – reicheren – Südwesten der Stadt hatten wir schon in der Verteilung der Synagogen und Betsäle in einer früheren Geschichte (mittendran vom 22. Juli 2023) gesehen. Die orthodoxen Juden erwarteten von der Gemeindeleitung dementsprechend nicht nur neue liberale (1), sondern auch orthodoxe Synagogen in diesem Teil der Stadt, und ein erster Plan sah eine solche Synagoge in einem Industriegebiet in Moabit vor (Agricolastraße). Alexander Beer (1873-1944) (Bild 1), der Baumeister der jüdischen Gemeinde, der ab 1928 und bis zu seiner Deportation nach Theresienstadt im Blumeshof 15 wohnte, hatte dafür bereits 1926 Pläne vorgelegt, die nicht erhalten sind, die aber im Zuge von Auseinandersetzungen mit der Baupolizei nicht realisiert wurden. 1928 erwarb die Gemeinde ein Grundstück in der Klopstockstraße im Hansaviertel, und Beer entwarf eine eher traditionelle Synagoge (2): Die lag, wie viele sakrale Bauten in Berlin, unmittelbar an der Klopstockstraße und war eingerahmt von Wohnhäusern (Bild 2). 

Bild 1: Foto von Alexander Beer (Datum und Fotograph unbekannt (Quelle: Artikel von 2013 bei www.KulturPort.de, der es von der Tochter Beers, Beate Hammet, Sydney, Australien zur Verfügung gestellt wurde).
Bild 2: Alexander Beers Fassaden-Entwürfe für die Synagoge Klopstockstraße. Oben der Erstentwurf von 1928, unten der revidierte Entwurf von 1929 nach dem Ende des Wettbewerbs. (Quelle: Akten im Landesarchiv Berlin, Re. 202 Nr. 1230 und 1231, gescannt aus und zitiert nach (2), Band 1, S.162)

Im Februar 1929 wurde zusätzlich ein Ideen-Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich renommierte Architekturbüros beteiligten, darunter Moritz Ernst Lesser (1882-1958); unter anderen fungierte Alexander Beer als Gutachter. Den radikalsten Entwurf legte das Architekten-Duo Augusta („Gusti“) Hecht (1903-1950) und Hermann Neumann vor (Bild 3), das damit den ersten Preis gewann. Es war das erste Mal überhaupt, dass sich eine Architektin mit einem sakralen Bau profilierte (3). Die Synagoge sollte 1050 Plätze auf zwei Ebenen haben (Bild 4), und im Inneren all die traditionell-rituellen Einrichtungen, die eine klassische Synagoge ausmachen, nur ihr äußeres Erscheinungsbild brach radikal mit der herkömmlicher – jüdischer – Sakralbauten. Nicht dieser Entwurf, aber der des Architekten Moritz Lesser, wurde von der Gemeinde angekauft.

Bild 3: Fassadenentwurf der Synagoge Klopstockstraße von Gusti Hecht und Hermann Neumann (Quelle: Die Baugilde, 11 Jahrgang (1929), Heft 11, Seite 860)
Bild 4: Grundriss der Synagoge Klopstockstraße von Gusti Hecht und Hermann Neumann (Quelle: Die Baugilde, 11 Jahrgang (1929), Heft 11, Seite 860).

Wer war Gusti Hecht?

Auguste Hecht, von der es leider kein Foto gibt,  wurde 1905 in Brno, damals zu Österreich-Ungarn gehörig, geboren und studierte Architektur 1922-1923 in Wien. Nach dem Examen als Diplom-Ingenieurin kam sie nach Berlin und arbeitete als Architektin wie auch als Journalistin (ab 1931), u.a. beim Berliner Tageblatt und beim Weltspiegel, dessen redaktionelle Leitung sie übernahm (4). Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 verlor sie ihre Anstellung. 1936 emigrierte sie über Paris nach Südafrika, wo sie 1940 heiratete, ein Café eröffnete (5) und am 17. Dezember 1950 in Johannesburg früh an einer Krebserkrankung verstarb. Wenig mehr ist über sie bekannt. In der Literatur zu Carl von Ossietzky (1889-1938) wird erwähnt, dass er den letzten Abend vor seiner Verhaftung am 27. Februar 1933 mit Freunden bei ihr verbrachte und sie in den folgenden Jahren Kontakt zu Ossietzky hielt und wichtige Informationen an den „Freundeskreis von Ossietzky“ weiterleiteten (6).

Und was wurde aus der Synagoge?

Vielleicht war es unter Architekten – und ist es auch heute noch – üblich, sich von Wettbewerbseinreichungen inspirieren zu lassen, jedenfalls modifizierte der Hauptgutachter der Ausschreibung, Alexander Beer, nach diesem Wettbewerb seinen eigenen, früheren Entwurf (Bild 2). „Jedes Ornament fehlt, nicht aber die Kultsymbole. In der Mitte überragen in abstrahierter Form die Gesetzestafeln die kubischen Baukörper und demonstrieren damit immer noch Beers Anspruch auf die Sichtbarmachung des sakralen Charakters seines Synagogenbaus“ (2). Beer erhielt dafür die Zustimmung der jüdischen Gemeinde – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. In anderen Bereichen der Wissenschaft würde dies als mögliches Plagiat zumindest kritisch gesehen werden – aber vielleicht ist die Architektur auch eher dem künstlerischen denn dem wissenschaftlichen Feld zuzuordnen, wo man einem solchen Interessenskonflikt aus dem Wege gehen würde. 

Aber auch Beers finaler Entwurf der Synagoge im Hansaviertel wurde dann schlussendlich nicht gebaut, da dafür ein Wohnhaus hätte abgerissen werden müssen – das schien in der Wirtschaftskrise 1929 nicht opportun. Im Sommer 1930 griff die Gemeinde daher zurück auf den Plan einer Synagoge in der Agricolastraße, auf der Basis eines anderen, ebenfalls modernen Entwurfes von Beer; es kam zwar zur Grundsteinlegung (16. September 1930), aber nicht zur Bauausführung, die am 29. April 1932 aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen eingestellt wurde. Die nachfolgenden politischen Ereignisse – insbesondere die Reichstagswahl von 1933 – läuteten das Ende jüdischen Lebens in Berlin für eine lange Zeit ein. 

Gusti Hechts Synagogenentwurf aber würde auch heute noch sehr zeitgenössisch wirken.

Literatur

1. Konstantin Wächter. Die Berliner Gemeindesynagogen im Deutschen Kaiserreich. Integration und Selbstbehauptung. Gebrüder Mann Verlag, Berlin 2022.

2. Veronika Bendt, Rolf Bothe (Hg.): Synagogen in Berlin, Zur Geschichte einer zerstörten Architektur, Teile 1 und 2. Verlag Wilhelm Arenhövel, Berlin 1983 (Band 1, Seite 156-165)

3. Ute Maasberg, Regina Prinz: Die Neuen kommen! Weibliche Avantgarde in der Architektur der zwanziger Jahre. Hamburg o. J., Seite 89.

4. https://de.wikipedia.org/wiki/Gusti_Hecht

5. Martin Uli Mauthner: ‘Schubert Park’ – Memories of ‘Continental’ Jo’burg, in: AJR-Journal, 16. Jg. 2016, Nr. 8, Seite 5.

6. https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_von_Ossietzky

Das Haus Fürstenberg am Lützowplatz – 6

Das Ende des Hauses Fürstenberg wurde eingeleitet durch eine Vielzahl antijüdischer Gesetze und Verordnungen, die die Nationalsozialisten unmittelbar nach der Machtergreifung 1933 erließen (26). Kaum vorstellbar ist, dass dies die Familie Fürstenberg überrascht hat, möglich ist aber, dass die Fürstenbergs ihre Ausreise aus Deutschland erst nach dem Wahlsieg der Nationalsozialisten ins Auge gefasst hatten. Zu diesen Plänen mag auch die Reise nach Amerika passen, die Sally Fürstenberg im Jahr 1935 gemeinsam mit seinem Sohn Fritz unternahm (Bild 29). Immerhin hatte die Familie Verwandte in den Vereinigten Staaten, Nachkommen von Julius Fürstenberg, dem älteren Bruder von Sally, (siehe Teil 3). 

Bild 29: Schiffspassage von Egon Sally Fürstenberg und seinem Sohn Fritz mit der „Bremen“ von Bremen nach New York am 3. Mai 1935 (Quelle: Ancestry).

Spätestens aber das „Gesetz über die Anmeldung des Vermögens der Juden“ vom 26. April 1938 und die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12. November 1938 muss ihnen deutlich gemacht haben, dass eine Emigration notwendig war. Details des in diesem Zusammenhang erzwungenen „Vertrags“ der Familie Fürstenberg mit dem deutschen Reich wurden erst in den Restitutionsverfahren der Familie nach dem Krieg bekannt und werden hier erstmals ausgewertet (27). Eine Darstellung dieser sinnentstellend „Wiedergutmachungsverfahren“ genannten Prozesse ab 1950 wird diese Familiengeschichte in einem weiteren Teil abschließen.

Die Vermögenserklärungen

Am 30. Juni 1938 erklärte Sally Fürstenberg sein Vermögen, insgesamt wird es beziffert auf 4.7048.472 Millionen Reichsmark (RM), dem Schulden in Höhe von 585.836 RM gegenüberstanden (Bild 30). Die sechs Pferde und ein Fohlen, die er zu diesem Zeitpunkt besaß, sind mit keinem Wert beziffert, die fünf Grundstücke sind in dieser Auflistung mit 1.370.000 RM enthalten.

Bild 30: Vermögenserklärung (Formularkopf) von Sally Fürstenberg, Paul Fürstenberg und Sophie Fürstenberg (aus: 27).

Sein Sohn Paul, zu diesem Zeitpunkt 38 Jahre alt und verheiratet, bezifferte am 28. Juni 1938 sein Vermögen auf 709.205 RM. Paul Fürstenberg gab an, 80.293 RM Schulden bei Hellmut Fürstenberg (Giza bei Kairo) zu haben sowie treuhänderisch das Vermögen von Helga Birnholz und Stefan Fürstenberg zu verwalten, die beide noch minderjährig waren. 

Sophie Fürstenberg, geborene Birnholz, Witwe von Gustav Fürstenberg, gab ein Vermögen von 1.662.093 RM an. 

Weitere Vermögenserklärungen sind in den Wiedergutmachungsakten (WGA) nicht enthalten. Womit sich die Frage stellt, ob die inzwischen volljährigen Söhne Fritz, Rolf und Hellmuth entsprechende Erklärungen abgegeben haben, oder ob sie ihre liquiden Anteile an der Firma (die sich in gleichem Umfang wie die von Paul Fürstenberg bewegt haben dürften) vor dem genannten Datum ins Ausland verlagert haben. Dafür spricht nicht nur die Reise von Fritz Fürstenberg (gemeinsam mit seinem Vater) in die USA im Jahr 1935, sondern auch der Umstand, dass Hellmuth Fürstenberg 1938 seinen Hausstand in Ägypten hat. Und in dem Vertrag der Familie Fürstenberg mit dem Deutschen Reich (s. unten) wird die Familie ausdrücklich als bestehend aus Sally Fürstenberg, seinem Sohn Paul nebst Ehefrau und Kinder, und der Witwe von Gustav Fürstenberg, Sophie Fürstenberg geborene Birnbaum bezeichnet.

Letzte Klarheit verschaffte ein Bericht von Paul Fürstenberg (der sich seit seiner Einbürgerung in Amerika Paul Forbes nannte) aus dem Jahr 1968, der sich im Leo-Baeck-Institut in New York in der Albert Rosenhain Collection (28) fand (Bild 31): 

Fritz Fürstenberg wanderte am 1. April 1933, drei Monate nach der Machtergreifung durch die Nazis, nach Holland aus und gründete in Amsterdam die Firma N.V.Reveillon, die bis zum Besetzung Holland durch die deutsche Wehrmacht 1942 fortbestand, aber dann in die Hände der Firma Reiwinkel überging, die das Berliner Stammhaus Rosenhain übernommen hatten (s. unten). Der drohenden Deportation entgingen Fritz und seine Frau durch Flucht in die Schweiz; sie wurden 1945 repatriiert.

Ein jüdischer Verkäufer der Firma Rosenhain in Berlin, Hellmut Wittenberg, wanderte 1933 nach Palästina aus und gründete in Tel Aviv die Firma Rivoli, die 1940 Bankrott anmeldete. Da ihr Hauptgläubiger die Firma Rosenhain, Berlin war, übernahm diese die Geschäfte und führt sie bis in die Nachkriegszeit.

Im April 1936 eröffnete Fritz Fürstenberg gemeinsam mit einem weiteren Verkäufer aus Berlin, Ernst Hünerberg, die Firma Rivoli in Alexandria, Ägypten, ebenfalls mit Krediten der Firma Rosenhain, Berlin. Eine weitere Filiale entstand kurze Zeit später in Kairo. 

Hellmut Fürstenberg wanderte 1937 aus Deutschland aus und übernahm die Leitung der Geschäfte in Kairo bis nach dem Krieg.

Ulrich Fürstenberg übernahm 1936 in London die Leitung einer Rivoli-Filiale, gemeinsam mit einem weiteren früheren Verkäufer der Firma Rosenhain, Bruno Schleyer, und zeitweilig auch Paul Rosenhain. Dieses Geschäft wurde 1941 durch deutsche Bombenabwürfe über London vernichtet worden und wurde nicht wieder aufgebaut.

Bild 31 Bericht von Paul Fürstenberg über die Auslandsgründungen der Firma Rosenhain nach 1933 (aus: Leo-Baeck-Institut New York, (28)).

Wir können also festhalten, dass die Fürstenberg-Familie unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten begonnen hat, der drohenden Enteignung und Bedrohung von Leib und Leben entgegenzuwirken, und sowohl die Auswanderung als auch die Verlagerung der Geschäfte ins Ausland betrieb. Gleichzeitig wurden offenbar verdiente Angestellte, die aus den gleichen Gründen um ihr Leben fürchten mussten, ebenfalls zur Auswanderung verholfen.

Die Arisierung („Entjudung“) der Firma Rosenhain

Neben den bereits genannten Dokumenten im Rahmen der Restitutionsverfahren nach dem Krieg liegt für den Prozess der „Arisierung“ eine Akte der diesen Prozess leitenden Reichs-Kredit-Gesellschaft (RKG), die Konzernbank der reichseigenen Industrieunternehmungen, vor. Diese Akte, die im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde archiviert ist (29). Wenn aus dieser Akte die Notars- und Anwaltsrechnungen herausgenommen werden, die fast 1/3 der Dokumente betreffen, lässt sich der Gesamtprozess recht gut rekonstruieren. Der dabei entstehende Eindruck, dass der Arisierungsprozess weniger der ideologischen „Entjudung“ der Firma Rosenhain galt als vielmehr der Beschaffung von Geldwerten, insbesondere von ausländischen Geldern (Devisen) für eine marode deutsche Volkswirtschaft, die einen Weltkrieg plante, wird in einem späten Dokument bestätigt. Am 15. August 1941 vermerkt Herr Muss von der RKG in einer Notiz zu einem Telefonat mit Geheimrat Zetsche von Reichswirtschaftsministerium, dass „die Entjudung der Firma Fürstenberg eigentlich nicht im Vordergrund gestanden hätte, sondern vielmehr Ausgangspunkt und ausschlaggebend die Frage war, welcher Gegenwert Herr Koch für die hereingebrachten Devisen marktmässig zugebilligt werden kann“ (Blatt 22) – immerhin hatte Koch dem Deutschen Reich ein Devisenpaket von 57.000 Britischen Pfund gebracht, das Pfund zu 42 RM, entsprechend also fast 2,5 Millionen RM. 

Walter Koch war Auslandsdeutscher, Arier im Sinne des Gesetzes, wie an anderer Stelle festgestellt wurde (Blatt 106), der nach Auskunft der „German Chamber of Commerce“ (Blatt 234) in London zusammen mit seinem Bruder Anteile an einer englischen Firma „Everready“ hatte, die verkauft wurde und die beiden Deutschen zurückließ „zu einer Zeit …in der die [deutsch-englischen] politischen Verhältnisse sehr zugespitzt waren„. Die auf diese Weise freiwerdenden Gelder wollten die Gebrüder Koch offenbar in Arisierungsprojekte in der Heimat stecken, und das Reich war daran brennend interessiert.

Da Koch kein Kaufmann war, stand für die RKG von vornherein fest, dass dies nur möglich sei, wenn bei der Übernahme der Firma Rosenhain Fachleute beteiligt sind: Dies waren die Kaufleute Ludwig Reisse, 34 Jahre, Exportleiter und Einkäufer einer Exportfirma in Berlin (Hohenzollerndamm 180) und Dr. Fritz Grawinkel (Kurfürstenstraße 105 bzw. Prager Straße 24), der einer Gesellschaft namens „Lega“ vorstand, die alle Arisierungsverfahren im Lederwaren-Handel koordinieren wollte (Blatt 534); beide waren bereits früh (vor Kochs erster Erwähnung in den Akten der RKG, Blatt 499) bei der RKG vorstellig geworden – so wie viele andere Kaufleute und Interessenten, die zwischen 100.000 und 1.000.000 RM zu investieren bereit und in der Lage waren, darunter auch der Koffer-Hersteller Mädler aus Leipzig. Aber unter all diesen Interessenten waren kaum einer in der Lage, die geforderten 2 bis 3 Millionen aufzubringen, die nach dem Rosenhain-Budget von 1937 die Firma einschließlich ihrer Grundstücke wert war. Nach den vorliegenden Unterlagen hatte sich Paul Fürstenberg als Alleinvertreter der Firma Rosenhain aktiv an diesem Suchprozess beteiligt und letztendlich auch die Verbindung der RKG mit Koch hergestellt (Blatt 499: Schreiben von Fürstenberg and die RKG vom 10. August 1938). Am 5. Oktober 1938 gründete Walter Koch, gemeinsam mit Ludwig Reisse und Dr. Fritz Grawinkel die Firma „Reiwinkel – Das Haus für Geschenke“ (Bild 32), die noch am gleichen Tag die Firma Rosenhain übernahm. Die neue Firma Reiwinkel hatte demgemäß drei Anteilseigner: Koch mit einem Anteil von 1,36 Millionen RM, Reisse mit 100.000 RM und Grawinkel mit 40.000 RM (Blatt 452), aber nur Koch trat als Käufer auf. 

Bild 32: Briefkopf der Firma „Reiwinkel – Haus der Geschenke“ (aus: (29)).

Der Verkauf der Firma Rosenhain an Walter Koch

Am 19. August 1938 schrieb die Familie Fürstenberg gemeinsam mit ihren Anwälten einen Brief an „Herrn Walter Koch, Fulmer/England, z.Zt. in Berlin“ (30) mit Vorschlägen zur Übernahme der Firma Albert Rosenhain GmbH und leitete damit die Übernahme der Firma ein. In diesem Schreiben 1938 schlug die Familie Fürstenberg einen Kaufvertrag der Rosenhain GmbH mit allen Aktiva und Passiva im Gesamtwert von 1.500.000 RM durch Koch oder eine von ihm beauftragte Gesellschaft vor, und erklärte sich bereit, Bargeld zuzuschießen, sollte eine offizielle Wertermittlung zu einem niedrigen Gesamtwert kommen. Der Verkauf des Geschäftes sollte die fünf Grundstücke einschließen. Dafür sollten die Fürstenbergs 150.000 RM erhalten, ein Zehntel des Wertes, der auf ein zu errichtendes Sonderkonto bei der Reichs-Kredit-Gesellschaft AG zugunsten von Paul Fürstenberg oder der Firma Reveillon Amsterdam eingezahlt werden soll. Voraussetzung für diesen Kaufvertrag sollte ferner sein, dass damit alle Steuerverbindlichkeiten der Familie Fürstenberg gegenüber dem Deutschen Reich erledigt sind, dass die gegenüber ausländischen Firmen (die Firmen Rivoli in Alexandrien, London, Jerusalem, Tel Aviv und Kairo) bestehende Ansprüche und Forderungen auf Paul Fürstenberg übertragen und genehmigt werden, sowie dass der Familie die Pässe ausgehändigt werden und gestattet wird, auszureisen mitsamt ihrem persönlichen Hab und Gut im Werte von 65.000 RM.

Auf dieser Basis der Vorschläge der Fürstenbergs kam es am 5. Oktober 1938 zu einem notariellen Kaufvertrag durch den Notar Dr. Erwin Graf in den Geschäftsräumen der RKG, bei dem neben der Familie Fürstenberg (Paul und Sophie Fürstenberg) deren Rechtsanwälte und der besagte Walter Graf anwesend waren. Im einem Rahmenvertrag wurde geregelt, dass die Gesamtwerte der Firma Rosenhain (Firma plus Grundstücke) in der Größenordnung von 4.363.033 RM gegen Zahlung von 2000 britische Pfund (etwa 80.000 RM) an Paul Fürstenberg, 1000 RM als „Reserve“ auf ein Treuhandkonto bei der RKG (s. oben) und 150.000 RM auf das besagte Sonderkonto in das Eigentum des Walter Koch übergehen. Sophie Fürstenberg behielt überdies die Verfügung über 9.000 Schweizer Franken auf einem Konto in Luzern – auf das die Nationalsozialisten keinen Zugriff bekommen hätten, ohne Frau Fürstenberg in die Schweiz reisen zu lassen. Diese und weitere Bedingungen mussten allerdings noch durch den Oberfinanzpräsidenten Berlin nach Maßgabe gesetzlicher Vorgaben des Reichswirtschaftsministeriums genehmigt werden.

Der Vertrag der Familie Fürstenberg mit dem Deutschen Reich

Auf der Basis der Vermögenserklärungen vom Juni 1938 und des Kaufvertrags zwischen der Familie Fürstenberg und Walter Koch vom 5. Oktober 1938 schloss das Deutsche Reich, vertreten durch den Oberfinanzpräsidenten Casdorf, mit der gesamten Familie Fürstenberg am 19. November 1938 eine Vereinbarung, in der geregelt wurde, dass die bei Auswanderung der Familie zu zahlende Reichsfluchtsteuer sowie sämtliche übrigen Steuerschulden „einschließlich der Juden-Kontribution“ aus einer bei der Reichsbank zu deponierenden Summe von 2 Mio. Goldmark der Familie die Emigration erlauben und alle schwebenden Rechtsmittel gegen die Familie beenden sollte (31). Mit „Juden-Kontribution“ war die von der Judenschaft Berlins zu zahlende „Sühneleistung“ (Vermögensabgabe) für die „feindliche Haltung des Judentums gegenüber dem deutschen Volk“ (32) von einer Milliarde Reichsmark – erlassen nach den antisemitischen Ausschreitungen der Nazis in der Programnacht vom 9. auf den 10. November 1938.

Die Übertragung des Gesamtvermögens der Familie auf die Berliner Revisions-Aktiengesellschaft bestätigt diese mit Schreiben vom 9. Dezember 1938 – und dennoch verweigert das Reich den Fürstenbergs die Ausreise, wie Paul Fürstenberg in einem Schreiben vom 24. Dezember 1938 an die RKG beklagte (Blatt 260). Offenbar hatte aber das Polizeipräsidium nach dieser Regelung keine Bedenken mehr, die Reisepässe auszustellen (Blatt 210), und am 19. Januar 1939 vermerkte die RKG, dass die Fürstenbergs ausgereist waren (Blatt 236).

Verkauf des Hauses Fürstenberg am Lützowplatz

Aus der Verhandlungs- und Kaufmasse der Firma Rosenhain and Koch/Reiwinkel herausgenommen war von Anbeginn an das Haus am Lützowplatz 5 (heute: 9), das Sally Fürstenberg in seiner Vermögenserklärung vom Juni 1938 mit einem Wert von 240.000 RM taxiert hatte (27). Dazu gehörte ursprünglich auch das Grundstück Lützowstrasse 60, das im Gartenteil mit dem Grundstück Lützowplatz 5 verbunden war. Es wurde am 10. Dezember 1938 an den Verein Berliner Künstler (VBK) für einen Preis von 370.000 RM verkauft, jedoch wurde der Kaufbetrag in einen von der Berliner Revisions-AG, einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaft, verwalteten Topf bezahlt, aus dem die Fürstenbergs ausweislich der Akten des Restitutionsverfahrens keine Auszahlungen erhielten. So schnell, im Vergleich zur Arisierung der Rosenhain GmbH, dieser Kaufprozess vonstatten ging, im Restitutionsverfahren nach dem Krieg erwies sich der VBK nicht nur als ein wesentlich hartnäckigerer Gegner jeglicher Wiedergutmachung, sondern es wurde auch mit viel härteren Bandagen gekämpft, bis hin zur Verleumdung der Fürstenbergs als Lügner. Der Streit wurde erst beigelegt, als der VBK seinen Anwalt wechselte und es am 6. November 1959 zu einem Gerichtsentscheid kam, in dem der VBK zur Herausgabe des Grundstücks Lützowplatz 9 und zur Zahlung von 77.770 DM nebst 4% Zinsen seit dem 1. Oktober 1959 an die Familie Fürstenberg verurteilt wurde.

In diesen Zusammenhang gehört auch, dass in einer Jubiläumsschrift 1991 zum 150-jährigen Bestehen des VBK die Behauptung aufgestellt wird, Sally Fürstenberg habe das Haus dem Verein quasi zum Kauf angetragen, da er „dem VBK als außerordentliches Mitglied angehörte“ (33). Dies ist nicht mehr nur peinlich, sondern Geschichtsfälschung: Immerhin haben die Listen der ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder des Vereins für die Jahre 1920, 1925, 1931 und 1933 den Krieg überstanden und sind heute im Archiv der Akademie der Künste (34) einsehbar, und in keinem fand sich ein Mitglied der Familie Fürstenberg; und nach der Machtergreifung der Nazis 1933 wurden Juden schleunigst aus dem VBK ausgeschlossen. Das hätte der VBK korrigieren können und müssen, auch wenn der Autor der Musikkritiker Hellmut Kotschenreuther (1928-1998) war. Offenbar sitzt der Stachel noch tiefer als gedacht, der des schlechten Gewissens ebenso wie der der gekränkten Eitelkeit und der Wut über den verlorenen Restitutionsprozess, dass er auch 1991 noch stechen kann.

Bild 33: Visitenkarte (aus: (29) und Foto (Egon Fürstenberg, Amsterdam 11.1941, Fotografie; Jüdisches Museum Berlin, Inv. Nr. 2017/148/1, Schenkung von Tom Fürstenberg).

Tod in Holland

Sally Fürstenberg, der sich Egon S. Fürstenberg nannte (Bild 33), starb am 7. Juni 1942 in Amsterdam im Alter von 82 Jahren (Bild 34), wenige Tage nach dem Überfall Hollands durch die deutsche Armee. 

Bild 34: Sterbeurkunde des Sally Fürstenberg vom 7. Juni 1942 (Quelle: Ancestry).

Literatur

27. Es gibt im Landesarchiv Berlin (LAB) einunddreißig Einzelakten im Restitutionsverfahren, weil die vier Söhne getrennt voneinander Verfahren gegen verschiedene Parteien (Deutsches Reich, Reiwinkel, Koch, VbK) in mehreren Angelegenheiten (Immobilien, Rosenhain, persönlichen Verluste) angestrengt hatten. Die für unsere Auswertung wichtigste Akte hat die Inventar-Nummer B Rep 025-05 Nr. 204/49.

28. Albert Rosenhain Collection im Leo-Baeck-Institut New York, Archiv Nr.  AR 3272: Paul Forbes, Entstehung der ausländischen Niederlassungen der Firma Albert Rosenhain ab 1933 (sechs Seiten plus Fotos) ohne Datum.

29. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (BAL): R 8136/2807. Die Akte der Reichs-Kredit-Gesellschaft enthält 583 Blätter und umfasst den Zeitraum vom 15. März 1938 bis zum 3. Oktober 1944. Verweise auf einzelne Aktenstücke erfolgen unter Angabe des Blattes, z.B. Blatt 499.

30. LAB: B Rep 025-05 Nr. 204/49 mit Brief an Koch vom 19.8.1938 (Blatt 171 ff).

31. LAB: B Rep 025-05 Nr. 204/49 Vereinbarung Fürstenberg/Koch vom 5. Oktober 1938 (Blatt 195 ff).

32. https://de.wikipedia.org/wiki/Judenvermögensabgabe

33. Hellmuth Kotschenreuther. Neubeginn unter sehr erschwerten Bedingungen. In: Verein Berliner Künstler: Versuch einer Bestandsaufnahme von 1841 bis zur Gegenwart. Berlin, Nikolaische Verlagsbuchhandlung 1991, S. 119-137 (hier: Seite 123).

34. Archiv der Akademie der Künste, Berlin: Inventar-Nummern VereinBK 1055 (1920), 1056 (1925), 1057 (1931-1933),

Jüdische Geschichte in Tiergarten-Süd: Die sephardische Synagoge

Es gibt zu dieser jüdischen Gemeinde, die eine eigene Synagoge hatte, nur sehr wenige gesicherte Informationen, und weil das so ist, haben alle mehr oder weniger voneinander abgeschrieben; und dem entsprechend tauchen immer wieder die gleichen wenigen Details auf, selbst wenn sie falsch oder ungenau sind. 

Die sicherlich umfangreichste Quelle zur Geschichte der sephardischen Juden ist ein Buch von Guttstadt (1) von 2008, von dem es auch Kurzfassungen über die sephardischen Juden in Berlin gibt (2, 3), aber auch Guttstadt beruft sich bezüglich der Berliner sephardischen Gemeinde auf Sinasohn 1971 (4), Galliner 1987 (5) und Groh 2001 (6). Dabei berichtet Sinasohn in nur 9 Zeilen sehr wenige Informationen und nennt keine einzige Quelle, und Galliner verweist auf das Jüdische Jahrbuch für Groß-Berlin von 1926 bzw. 1928 (7). Die gleichen Angaben wie in den Jahrbüchern finden sich auch in den beiden Jüdischen Adressbüchern von Berlin (8). Eine gelegentlich zitierte Quelle von 1935 ist ein Artikel von Hillel (9) im Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde, allerdings ohne Details und ohne Quellenangabe; gleichzeitig ist im Israelitischen Familienblatt 1935 (10) ebenfalls ein Artikel über die kleine sephardische Gemeinde in Berlin erschienen, so dass Guttmann (3) wohl zu Recht vermutet, dass selbst den meisten jüdischen Gemeindemitgliedern diese Geschichte neu gewesen sein könnte. 

Was sind sephardische Juden?

Sephard ist der hebräische Name für Spanien, so wie Aschkenas der Name für Deutschland war; Sephardim waren daher Juden aus Spanien und Portugal, wie Aschkenasim die Juden aus Nord-, Mittel- und Osteuropa waren. Die Aschkenasim sprachen ein dem Deutschen verwandtes „Jiddisch“, während die Sephardim ein dem Spanischen verwandtes „Ladino“ sprachen. Auf der von 714 bis 1492 zum Osmanische Reich gehörenden iberischen Halbinsel hatten die Sephardim zumeist hohe und angesehene Stellungen und waren im Mittelalter besser integriert als die Aschkenasim in Mitteleuropa. Als die Rückeroberung (reconquista) Spaniens durch christliche Herrscher mit der Belagerung und Besetzung Granadas 1492 ein Ende fand, wurden die verbleibenden Juden per Gesetz gezwungen, zum Christentum zu konvertieren oder das Land zu verlassen. Die daraufhin einsetzen Migration der Sepharden (Sepharad I) ging zunächst in das Königreich Portugal, aber es als dort 1796 ebenfalls zu einem Verbot des jüdischen Glaubens kam, zogen viele Juden entweder nach Norden (Niederlande, Skandinavien, Hamburg) oder nach Osten (in die Balkanstaaten, nach Nordafrika, Griechenland und die Türkei) und ließen sich im Osmanischen Reich nieder, während den verbliebenen, konvertierten Sephardim in Spanien und Portugal oftmals die Folter (Inquisition) drohte, wenn der Verdacht aufkam, dass der jüdische Glaube und die jüdische Lebensweise heimlich weitergeführt wurden. Die ins Osmanische Reich ausgewanderten Juden behielten ihre Sprache (Ladino) und ihre traditionelle Lebensweise bei, viele von ihnen lebten in Konstantinopel (Istanbul) und wurden auch hier geschätzt. Mit dem Untergang des Osmanischen Reiches und der Entstehung des türkischen Staates emigrierte die Sephardim in mehreren Emigrationswellen, die Groh (6) Sephard II nennt, nach Wien und weiter nach Preußen (Berlin), das zu diesem Zeitpunkt (um 1900) starke diplomatische Beziehungen zur Türkei hatte. Hauptgeschäftszweige waren der Teppichhandel und die Tabakindustrie (Bild 1). Etwa die Hälfte der in Berlin lebenden Türken hatte jüdische Wurzeln und türkische Pässe – sie fühlten sich bei der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zunächst noch sicher, aber als die Türkei begann, ihre Pässe für ungültig zu erklären, wurden sie erneut vertrieben oder wie ihre aschkenasischen Glaubensgenossen deportiert und umgebracht.

Bild 1: Oben eine Anzeige der Firma D.L.Haim, Potsdamer Str. 129-130 (Scan aus (2)), darunter ein Ausschnitt aus dem Berliner Adressbuch von 1915..

Was ist über die sephardische Gemeinde in Berlin bekannt?

Worin alle übereinstimmen: dass der Israelitisch-Sephardische Verein (ISV) 1905 gegründet worden sei. Als Beleg gilt ein Brief aus diesem Jahr von Fina Haim, eine der vier Töchter des Berliner Teppichhändlers Haim (Bild 2), an den spanischen Arzt Dr. Angel Pulido sowie Informationen aus einem Fragebogen, den Pulido an sephardischen Gemeinden weltweit verschickt hatte. Darin werden 25 Mitglieder der Berliner Gemeinde namentlich genannt: „Isidoro Covo und L. Haim, Kaufleute für orientalische Wandteppiche in großen Mengen; Victor Albahary, Zionist; Elías Benyaisch, Mosco Calmi, Ernest N. Covo und L. Haim, Kaufleute für orientalische Wandteppiche in großen Mengen; Victor Albahary, Zionist; Elías Benyaisch, Mosco Calmi, Ernest N. Covo und N. Romano, Kaufleute; Licco Covo, Bension Benvenisto, A. Rosano, Nissim Cohen, Eskenazy und Heinrich Levy, E. Y. Uziel und Is. Kamermam, Kommissionäre; Navon, Student der Germanistik und Lehrer für Spanisch; Dr. Samuel, Lehrer für Französisch; Dr. Benaroyo, Arzt; Dario Errera, Maschinenbauingenieur; Cappon, Angestellter, usw., und drei oder vier andere“ (11).

Bild 2: Die vier Töchter des D.L.Haim: Fina (oben links), Clara (oben rechts), Maria (unten links) und Rosa (unten rechts), Scan aus (11).

Im Berliner Adresskalender taucht der Verein aber erstmals 18 Jahre später auf, 1923 mit der Adresse Lützowstrasse 111, vorher ist er nicht gelistet, auch nicht unter anderer Adresse. In den Jahren von 1921 bis 1924 war der 1. Vorsitzende des Vereins, J. D. Hassan, der in der Jägerstraße 25 wohnte; dort war er geführt als Importeur echter orientalischer und persischer Teppiche (siehe Bild 1), den man im Berliner Adressbuch ab 1896 nachweisen kann. Er fehlte jedoch in den oben gelisteten historischen Berichten völlig, stattdessen benennt Sinasohn (4) den Teppichgroßhändler Chasan als Gründungsvater, den wiederum das Adressbuch nicht kennt, und alle anderen auf Sinasohn verweisen, statt das Adressbuch zu konsultieren. Oder weil die von Guttstadt berichtete Quelle ein Transkription-Variante (Chasan = Hassan) enthält: „Ein Problem für sich ist die Schreibung von Personennamen. Durch das Nebeneinander des hebräischen, lateinischen, und – bis zur Einführung der Lateinschrift in der Türkei 1928 – osmanischen Alphabetes in der Türkei existierten dort für die Namen der meisten Juden mindestens drei verschiedene Schreibweisen … entstanden oft zahlreiche Lateinschriftversionen für ein und denselben Namen, häufig sogar für die gleiche Person“ (1).

Ab 1925 war die Adresse des „Generaldirektors“ des Vereins, Ely J. Uziel, die Martin Luther-Strasse 58. Uziel ist seit 1899 im Berliner Adressbuch nachweisbar. Er und die anderen Vorstandsmitglieder finden sich danach auch in den beiden Jahrbüchern und den beiden jüdischen Adressbüchern – so weit, so gut.

Die Zahl der Vereinsmitglieder wird mit 150 Mitte der 20er Jahre (12) und mit 500 Anfang der 30er Jahre angegeben, aber es wird an keiner Stelle gesagt, ob es sich dabei um die Zahl der sephardischen Familien handelt oder um Individuen – die Zahl 500 hat bislang überhaupt keinen Beleg. Das klingt darüber hinaus nach viel, hatte doch der Tiergarten-Synagogen-Verein an der Potsdamer Straße 26 zur gleichen Zeit nur etwa 110 Mitglieder (s. mittendran vom 3. September 2022), und der Synagogenverein Lützowstraße 16, dessen Synagoge 2000 Gläubige fassen konnte (mittendran vom 30.Juli 2023), auch nur 500 Mitglieder, gemäß dem Jüdischen Jahrbuch von 1926 (8). Vermutlich waren die 150 Mitglieder ihre Kopfzahl, nicht die Anzahl der Familien. Nimmt man nämlich die o.g. Liste als Liste der Mitglieder (25-29 Familien) und rechnet pro Familie 4-5 Personen, kommt man an die Zahl von 150 Sephardim heran.

Genau diese Frage wurde dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Siegfried Lublinski zum Verhängnis, als er im Auftrag der Jüdischen Gemeinde 1962 herausfinden sollte, wo die sephardische Synagoge war, in welchem Umfang sie zerstört worden und was dabei an Wertgegenständen verloren gegangen war. Da ein inzwischen ein weeitgehend geräumtes Trümmerfeld (Bild 3) keinen Augenschein mehr zuließ, suchte er in den Bauakten des Grundstücks Lützowstrasse 111/112 (13) nach Hinweisen, wo 500 Köpfe hätten beten können. Dabei identifizierte er auf der Basis der Grundrisse des Geländes zwischen Lützowstrasse und (heutiger) Pohlstraße den großen Festsaal (ab 1881 Konzertsaal, ab 1920 Kinosaal) der Viktoria-Brauerei als mögliche Synagoge mit Platz für bis zu 750 Gläubige (Bild 4). Die Brauerei hatte das Grundstück 1918 an die Wertheim Grundstücks Verwaltungsgesellschaft m.b.H., eine Tochtergesellschaft der Wertheim Kaufhaus-Kette, verkauft. Der Suchvorgang ist in einer Akte des Centrum Judaicum Berlin (CJB) dokumentiert (14), auch seine spätere Einsicht, dass die doppelte Nutzung als Kino und als Synagoge kaum zu realisieren war, es sei denn als gelegentlicher Betsaal an den hohen jüdischen Feiertagen (s. mittendran vom 22. Juli 2023). Den Wertverlust nur der Einrichtung bezifferte ein Gutachter im Wiedergutmachungsverfahren mit knapp 300.000 DM.

Bild 3: Trümmerfeld der Häuser Lützowstr. 111 und 112 unmittelbar nach dem Krieg (aus (13)).
Bild 4: Grundriss des Kinosaals, früherer Festsaal bzw. Theatersaal der Viktoria-Brauerei (aus: 14), des von Rechtsanwalt Lublinski zunächst vermuteten Synagogensaales.

Wo war der Verein in den Jahren 1905 bis 1923?

Bleibt also die Frage, wo genau der Israelitisch-Sephardische Verein zwischen von 1905 bis 1923 residierte. Wie Rechtsanwalt Lublinski haben wir uns zunächst die Bauakte vorgenommen, allerdings alle 10 Bände in chronologischer Ordnung, und die Baugeschichte rekonstruiert. Das Gelände war 1853 erstmals bebaut worden und gehörte seit 1878 der Viktoria-Brauerei-Aktiengesellschaft bzw. der Engelhardt-Brauerei; es wurde 1918 für 1,825 Million Mark an die Wertheim Grundstücks-Gesellschaft verkauft. Die Viktoria-Brauerei hatte im Jahr 1889 das Vorderhaus Ecke Lützowstraße und Flottwellstraße neu geplant. Das dabei entstandene Wohnhaus hatte die Hausnummern 111 und 112 mit 3 Etagen mit einer Anzahl von Wohnungen. Dabei entstand im ersten Stock oberhalb des Foyers des Saales (Flottwellstraße 8) ein zweiter, kleiner Festsaal nebst einem Vorraum, der etwa 350 Personen fassen konnte – auch der konnte nicht die spätere Synagoge sein, da er als „Schwechtensaal“ in den Jahren um 1925 für Kammermusik-Aufführungen und für Tonaufnahmen (Schallplatten) der Firma Organon diente. Aber das Jüdische Jahrbuch 1926 hatte eindeutig gesagt, dass die Synagoge im ersten Stock lag.

Band 7 der Bauakten endlich ergab einen Fund: Im Jahr 1913 beantragte die Viktoria-Brauerei-AG einen Umbau im 1. Stockwerk des Wohnhaus Lützowstraße 111, bei dem mehrere Zwischenwände aus verputztem Draht (Rabitz-Wand) oder Stahlbändern (Prüss-Wand) entfernt wurden, um größere Räume zu schaffen (Bild 5) – hier wird der als Synagoge genutzte Raum sein, der auch dem optischen Bild der Synagoge entsprach: ein etwa 5 x 10 = 50qm großes Zimmer, das Platz für etwa 150 Personen bot: 6 Stuhlreihen a 5 Stühle plus 4 Stuhlreihen a 5 Stühle plus 60 oder mehr Stühle entlang der Wände; das zumindest entsprach der Größe der sephardischen Vereins um 1925 (Bild 6). 

Bild 5: Situationsplan (links) und Grundriss des Wohnhauses Lützowstrasse 111, 1. Etage, der von uns angenommenen Lage der sephardischen Synagoge im Wohnhaus (aus: 13, Band 7).
Bild 6: Zwei Fotos aus der Synagoge; oben: Blick von der Mitte des Raumes nach Norden; unten: Blick von der Mitte des Raumes nach Süden. Der Sonnenlicht-Einfall auf dem unteren Bild macht deutlich, dass es nicht der Raum zur Lützowstrasse hin gewesen sein kann, da dessen Fenster nach Norden gehen. Quellen: Bild oben aus dem akg-images Bildarchiv Nr. 400090, Fotograf: Abraham Pisarek 1930 mit freundlicher Genehmigung von akg-images; Bild unten: Fotograf unbekannt, Scan vom Titelbild (3).

Dieser Umbau macht aber nur dann Sinn, wenn bereits mit dem Umbau 1913 die Unterbringung der sephardischen Synagoge beabsichtig war – oder eine andere, z.B. kommerzielle Nutzung großer Räume vorgesehen war. Vor dem Umbau (1910) wurde die erste Etage offenbar weitgehend vom Schiedsgericht der Arbeiterversicherung genutzt), und es gab nur zwei weitere Mieter, einer davon war der Wirt R.Saeger des Restaurants der Brauerei. In den ersten Jahren nach der Baufertigstellung hatte die Brauerei hier ihre Verwaltungsräume. Bereits vor dem Umbau 1913 nimmt die Anzahl der Mieter zu, 1912 waren es acht, 1913 und 1914 elf und 1915 zwölf Mieter, darunter Gewerbebetriebe (Bechem & Post GmbH, Silonit-Baugesellschaft mbH), Handwerker, und Selbständige sowie einige Kaufleute (Bild 7).

Bild 7: Auszug aus den Adressbüchern Berlin für die Lützowstrasse 111 der Jahre 1918 bis 1923. Der Sephardische Verein wird erstmals 1923 genannt.

Dass laut Guttstadt (1-3) und anderen bereits 1915 in den Räumen des Vereins in der Lützowstrasse 111 eine Schule eingerichtet wurde, spräche ebenfalls für den früheren Bezug der Räumlichkeiten, allerdings findet sich diese Schule nicht in der Liste aller jüdischen Schulen Berlins zwischen 1915 und 1930. In diesem Fall müsste aber ein privater Mieter der Räumlichkeiten im Adressbuch verzeichnet sein, weil der ISV ja erst 1923 als Mieter im Adressbuch erscheint. Alternativ wäre noch möglich, dass die Wertheim Grundstücks-Gesellschaft die vorhandenen Räumlichkeiten ohne förmlichen Mietvertrag zur Verfügung stellte, weil z.B. der Kaufhausbesitzer Wertheim ein religiöser Jude war – schwer vorstellbar bei einer Aufsicht durch die Baupolizei, immerhin musste die Entfernung der Zwischenwände bezüglich Statik neu berechnet und von der Behörde genehmigt werden. 

Und dennoch muss es so gewesen sein: Ein Brief des ISV an den Rabbiner David Simonsen in Kopenhagen vom 13. Dezember 1918, aufgespürt in der Dänischen Königlichen Bibliothek (Bild 8), zeigt im Briefkopf die Adresse des Vereins: „Lützowstrasse 111 I.Stock rechts„, so dass die zeitliche Lücke kleiner wird und es wahrscheinlicher wird, dass die Synagoge gleich nach dem Umbau 1913 dort eingerichtet wurde. Warum der ISV nicht im Adressbuch aufgelistet ist, ist also dem Umstand zu verdanken, dass die Synagoge in einer Privatwohnung untergekommen war und dass einer der Mieter ab 1913 (oder ab 1918) der sephardischen Gemeinde eine Heimat gegeben hatte, mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Angehöriger der Sephardim – die Frage ist nur: wer? Von den 11 Mietparteien 1918, die zum Teil schon vor 1918 und auch noch 1923 im Hause waren, kommen acht in Frage, sowie ein Mieter, der von 1919 bis 1923 hier registriert war. Diese Suche wird also noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Bild 8: Briefkopf des Israelitisch-Sephardischen Vereins zu Berlin mit Datum vom 13.12.1918.

Persönliche Erinnerungen eines sephardischen Jungen, der die Shoah überlebte

Isaak Behar, der 1923 in Berlin geborene Sohn eines noch in Konstantinopel aufgewachsenen sephardischen Ehepaares, das 1916 nach Berlin auswanderte, überlebte die Shoah im Untergrund durch viele Verstecke in den Jahren 1939 bis 1945, während seine Eltern und Schwestern nach Riga deportiert und dort umgebracht wurden. Seine wenigen Erinnerungen an die sephardische Synagoge in der Lützowstraße 111 (er nennt die Hausnummer 110) in die Zeit vor dem Krieg decken sich mit den hier gemachten Angaben, fügen ihnen aber auch keine weiteren Details hinzu. Sie geben stattdessen einen eindrucksvollen Einblick in das das Familienleben der Behars und in die Nöte, die jüdische Familien mit der Machtübernahme der Nazis 1933 ausgesetzt waren (12).

Literatur

1. Corry Guttstadt: Die Türkei, die Juden und der Holocaust. Association A, Berlin 2008.

2. Corinna Guttstadt. Sepharden an der Spree. Türkische Juden im Berlin der 20er- und 30er- Jahre und ihr Schicksal während der Schoah. In: Uwe Schaper, Hrg. Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jahrbuch des Landesarchivs Berlin 2008. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2008, S. 215-233.

3. Corry Guttstadt: Sepharden auf Wanderschaft. Vom Bosporus an die Spree, Elbe und Isar. PaRDeS. Zeitschrift der Vereinigung für jüdische Studien e.V. 2013, Heft 19, Seite 89-112.

4. M.M.Sinasohn: Die Berliner Privatsynagogen und ihre Rabbiner 1671-1971. (Eigendruck) Jerusalem 1971 (Seite 87), (https://vdoc.pub/documents/die-berliner-privatsynagogen-und-ihre-rabbiner-1671-1971-1b6tshurmde0).

5. Nicola Galliner, Hrsg. Wegweiser durch das jüdische Berlin. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1987.

6. Arnold Groh: Searching for Sephardic History in Berlin. In: M.Mitchell Serels (Ed.) Semana Sepharad: The lectures. Studies on Sephardic History. New York 2001, Seite 32-56. (https://s-a-c-s.net/wp-content/uploads/2012/03/SephBerl.pdf).

7. Jüdische Jahrbücher für Gross-Berlin. Jahrgänge 1 bis 8, 1926 bis 1933, Scherbel Verlag, Berlin. (https://archive.org/details/JdischesJahrbuchGrossBerlin/Jg.%201%20%281926%29/

8. Jüdisches Adressbuch für Gross-Berlin, Jahrgänge 1929/1930 und 1931/1932, Goedega Verlag, Berlin (https://digital.zlb.de/viewer/metadata/34039536/0/).

9. Bath Hillel: Sephardim in Berlin. Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin vom 7.Juli 1935.

10. Israelitisches Familienblatt, Beilage Aus alter und neuer Welt, 14. November 1935.

11. Angel Pulido Fernandez: Espanoles sin patria y la raza sefardi (1904, Neuauflage) 1993 Granada, Universidad de Granada (Seite 294-297).

12. Isaak Behar: Versprich mir, dass du am Leben bleibst. Ein jüdisches Schicksal. Ullstein Verlag, Berlin 2002.

13. Bauakten Lützowstrasse 111 im Landesarchiv Berlin: B Rep. 202 Nr. 4394 bis 4402.

14. Akte im Centrum Judaicum Berlin: CJA 5A1 1249.

Jüdische Geschichte in Tiergarten-Süd: Noch einmal in das Altersheim Lützowstrasse

Hat man erst mal eine Spur, lässt sie sich leicht verfolgen: Nachdem wir die Nr. 48 und 49 in der Lützowstraße als jüdisches Altersheim identifiziert hatten (JueLe vom 8. Mai 2022), lag es nahe zu fragen, was denn hier vorher war und was aus dem Haus geworden ist, nachdem die Einwohner vertrieben worden waren – und die noch wichtigere Frage: Was eigentlich aus den Einwohnern geworden ist. Für die erste Frage haben wir die Bauakten zu Rate gezogen, für die Fragen zweit und drei haben wir den Kontakt zum Archiv der Jüdischen Gemeinde, dem Centrum Judaicum in der Oranienburger Straße gesucht.

Die Bauakten Lützowstrasse 48 und 49

Die beiden Bauakten (1) waren unspektakulär, enthielten aber ein interessantes Detail: Fotos der beiden Wohnhäuser aus dem Jahre 1930, die mehr als deutlich machen, was die Zeit (und der Besitzer) mit Wohnhäusern anstellen kann. Das Grundstück mit den (späteren) Nummern 43 bis 51 gehörte einem Rentier Schramm, der dies als Bauland hatte ausweisen lassen. Zum Zeitpunkt des Neubaus (ab 1873) gehörten beide Häuser dem Maurermeister Waldeyer, und der plante sie quasi wie „Zwillingshäuser“, identisch im Aussehen (Fassade) und Grundriss (Vorderhaus nebst Seitenflügel) (Bild 1). Maurermeister waren oft die Eigentümer während der Bauphase eines Hauses, vergleichbar den heutigen Bauunternehmern: Sie erhielten von den Banken den notwendigen Kredit und verkauften meist unmittelbar nach Fertigstellung. Nummer 49 wurde 1875 fertig und hatte in diesem Jahr bereits 7 Mieter, Nr. 48 ein Jahr später, ab 1876 hatten beide Häuser 10 bis 11 Mietparteien. Waldeyer verkaufte das Haus Nr. 49 im Jahr 1879 und Nr. 48 ein Jahr später; in der Folge hatten beide Häuser unterschiedliche und unterschiedlich viele Eigentümer.

Bild 1: Grundrisse der Zwillingshäuser Lützowstrasse 48 und 49 zu Baubeginn (Quelle: (1)).

Fünfundfünfzig Jahre nach dem Hausbau, als die Jüdische Gemeinde die Häuser 1933 erwarb, hatten die beiden nur noch wenig Gemeinsames, wie man den Fotos entnehmen kann (Bild 2). Die Jüdische Gemeinde renovierte das Haus Nr. 48 (Bild 3), und beantragte für das ebenfalls erworbene Haus Nr. 49 Umbauten (im 3. Stock, s. unten) unter anderem mit dem Hinweis, die ursprüngliche Zwillingsnatur beider Häuser wieder herzustellen. Dass dabei nicht an die erneute Ausschmückung der Fassade von Nr. 48 gedacht war, sondern an die „Entstuckung“ (so heißt das, wenn Fassadenstuck entfernt wird) auch für die Nr. 49, ergibt sich aus einem Schreiben der Jüdischen Gemeinde an die Baupolizei (Bild 4) – es sollte allerdings nicht dazu kommen (s. unten).

Bild 2: Fotos der Häuserfassaden Lützowstr.48 und 49 im Jahr 1930. Haus Nr. 48 ist „entstuckt“, das Dach ist ausgebaut, aber insgesamt in schlechtem Zustand. Haus Nr. 49, befindet sich weitgehend im Originalzustand, wenngleich ihm das Alter anzusehen ist (Quelle: (1)).
Bild 3: Die Hausnummer 48 nach der Renovierung durch die Jüdische Gemeinde 1933 (Quelle: Heinrich Stahl Collection AR 7171 im Leo-Baeck-Institute, New York mit freundlicher Genehmigung des Leo-Baeck-Instituts, New York)

Unterschätz die langweiligen Quellen nicht!

Da der Kontakt zum Leo-Baeck-Institut in New York über das Centrum Judaicum Berlin zustande kam, war die naheliegende Frage, ob denn nicht auch in deren Archiv noch Unterlagen zum Altersheim in der Lützowstraße seien, zum Beispiel über die Bewohner in den Jahren 1933 bis 1942. Die Archivarin, Frau Sabine Hank, bestätigte dies im Herbst 2022: Auf Mikrofilm lägen Unterlagen zur Einrichtung einer Telefonanlage im Altersheim sowie Versicherungsunterlagen vor (2). Das klang nun nicht gerade nach aufregender Forschung, so dass es nicht eilig schien und erst bei einem zweiten Termin im Dezember 2022 die Unterlagen gesichtet wurden. Und zunächst schien sich die Erwartung zu bestätigen: Die Einrichtung einer Telefonanlage im Jahr 1933 mit insgesamt sechs Etagen-Anschlüssen fügte den bisherigen Erkenntnissen wenig hinzu, und auch eine Glasbruch-Versicherung erbrachte nichts Neues.

Bild 4: Schreiben der Jüdischen Gemeinde an die Berliner Baupolizei vom 24. Mai 1935 den Umbau des Hauses Lützowstrasse 49 betreffend (Quelle: (1)).

Die Feuerversicherung für das Haus Nr. 49 war 1928 mit 224.400 Mark Versicherungswert geschätzt, der in der Regel den Wiederbeschaffungswert des Hausrats (ohne das Grundstück selbst, das ja bei Brand erhalten bleibt) darstellt; dieser Wert blieb gleich beim Erwerb des Hauses durch die jüdische Gemeinde. Für die Erweiterung des Altenheims nach Erwerb und Umbau des Hauses Nr. 49 im Jahr 1935 (s. oben) wurden 80.000 Mark veranschlagt, so dass am 13. März 1936 der Gesamtwert mit 263.500 Mark angegeben wurde. Dies war vermutlich dem Umstand zu verdanken, dass zu diesem Zeitpunkt nicht das ganze Haus Nr. 49 Teil des Altenheims wurde, sondern nur die obere(n) Etage(n) (s. oben). Neu, aber nicht aufregend.

Völlig unterschätzt dagegen hatten wir die Bedeutung der Haftpflichtversicherung: Die Viktoria-Versicherung wollte natürlich bereits bei Abschluss der Versicherung 1933 die Anzahl der Personen (Heimbewohner und Personal) wissen, für die Schäden über diese Versicherung gedeckt werden sollten, und sie ließ sich dies in den nachfolgenden Jahren immer wieder bestätigen oder korrigieren, so dass die Unterlagen insgesamt ein ungefähres Bild von der Belegung des Heims wiedergeben. In der nachfolgenden Zusammenstellung wird daher die Anfangsbelegung, die zunehmende „Verdichtung“ der Belegung – was nichts anderes bedeutet als die Zusammenlegung mehrerer Personen in einem Zimmer – und schließlich die Auflösung des Heimes und die Verteilung der verbliebenen Bewohner, die nicht bereits deportiert worden waren (zum Beispiel mit dem Versprechen, nach Theresienstadt verlegt zu werden in eine vermeintliche Altersresidenz (3)), auf andere Institutionen und Häuser im Viertel.

Die ursprünglich (1933) abgeschlossene Haftpflicht-Versicherung bei der Viktoria-Versicherung sah für die Lützowstraße 48/49 insgesamt 185 Heiminsassen bei 24 Personalstellen vor, die Adresse in der Police (Rankestraße 33) war jedoch der Sitz des Trägervereins „Jüdische Altersheime e.V.“, nicht das Heim selbst. Eine 1935 abgeschlossene Versicherungspolice sprach von 210 Heimbewohner bei 30 Personalstellen. Am 10. November 1940 wurde das Altersheim Lützowstraße 48/49 aufgelöst, und 100 bis 125 Bewohner (genauso ungenau steht es in den Akten) wurden in ein Altersheim nach Pankow (Berliner Straße 120/121) verlegt. 

Die übrigen Heimbewohner wurden auf folgende Adressen verteilt: In die Lützowstraße 77 kamen 22 Bewohner und 3 Angestellte; in die Lützowstraße 67 verlegt wurden 15 Bewohner und 1 Angestellte; in die Derfflingerstraße 17 kamen 14 Bewohner und 2 Angestellte; und in der Kluckstraße 27 und in der Lützowstraße 72 wurden 3 bzw. 1 „Externer“ als Untermieter untergebracht. Dies macht zusammen 55 Heimbewohner und 6 Angestellte.

Zusammen mit den „100 bis 125“ Bewohnern, die nach Pankow verlegt wurden, kommt man so auf etwa die Zahl von 180 Altersheim-Bewohnern. Wohin die 30 Fehlenden gekommen sind, erschließt sich aus den Unterlagen nicht, ebenso wenig, was auch den ursprünglich 30 Personalstellen geworden ist – natürlich können ältere Bewohner einfach nur gestorben sein, und es hat im Vorfeld der Deportationen viele Suizide unter den jüdischen Bewohnern Berlins gegeben, insbesondere nach dem Beginn der Deportationen 1942 (4). Nimmt man jedoch die gesamte Wohnfläche des Altersheims in der Lützowstraße 48 und 49 (s. oben), lässt sich leicht ersehen, dass selbst mit der ursprünglichen Belegung von 185 Personen eine maximal dichte Belegung erreicht ist und die Erhöhung auf 210 Personen die persönliche Wohnfläche nochmals reduziert wurde. Zum Vergleich: die 20 Mitparteien, die hier vor dem Umbau zum Altersheim wohnten, umfasste mit einiger Sicherheit nicht mehr als etwa 100 bis 120 Personen (einschließlich Kindern). Mit unserer ursprünglichen Schätzung von etwa 40 Bewohnern für Haus Nr. 48 (s. mittendran vom 8. Mai 2022) lagen wir also völlig falsch.

Es fehlen die Namen

Das eigentliche Ziel des Kontakts zum Centrum Judiacum war jedoch, etwas über die Bewohner des Altenheims in der Lützowstraße zu erfahren, aber das erwies sich als Fehleinschätzung; Belegunterlagen sind für die Altersheim der jüdischen Gemeinde nicht überliefert, und in den Adressbüchern Berlins wurden die Heiminsassen nicht persönlich gelistet. Und so bleibt die traurige Möglichkeit, Namen aus den Listen der Deportierten zu extrahieren, deren letzte Adresse mit Lützowstraße 48 oder 49 angegeben worden ist. Da, wie wir jetzt wissen, es jedoch zwischen 1940, der Auflösung des Heimes, und 1942, dem Beginn der Deportationen, viele Verlegungen gegeben hat, dürfte auch dies ein hoffnungsloses Unterfangen sein. Die wenigen Namen, denen wir bei der Recherche eher zufällig begegnet sind, sollen hier stellvertretend für die mehr als 200 Ungenannten aufgelistet werden. Dies sind die Altenpflegerin Johanna Calvary, geboren am 3.1.1896 in München, deportiert und ermordet in Minsk (5), und die Seniorin Rosa Mayer (Meyer), geboren am 25.9.1868 in Wittlich, deportiert und gestorben in Theresienstadt (6) (Bild 5). 

Bild 5: Todesanzeige der Rosa Mayer (Meyer) aus Theresienstadt (Quelle: (6)).

Was nach der Auflösung des Altersheims passierte

Auch dies ein Zufallsfund auf der Internet-Suche nach „Lützowstraße 48“: Nach dem Auszug der Altenheimbewohner zog am 15. Januar 1941 das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in die beiden Gebäude ein, die Oberbehörde der Schutzstaffel (SS), zu diesem zeitpunkt vor allem zuständig für die Personalakten einerseits, die Kontrolle der Konzentrationslager andererseits (7). Sie war damit eine der vielen NS-Institutionen, die sich im Verlauf des Krieges über das Lützow-Viertel ausbreitere, wegen der Regierungsnähe einerseits, der Bombardierungen im Regierungsviertel andererseits – aber das soll Teil einer eigenen Serie von Geschichten sein.

Literatur

1. Bauakten im Landesarchiv Berlin: B Rep. 202 Nr. 4352, 4353, 4354.

2. Akten in Centrum Judaicum Berlin: 1 A Be 2 Nr. 106 bis 108 des Gesamtarchivs.

3. Konzentrationslager Theresienstadt

4. Christian Goeschel. Selbstmord im Dritten Reich. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2011.

5. Anja Reuss/Kristin Schneider (Hg.) Berlin-Minsk. Unvergessene Lebensgeschichten: Ein Gedenkbuch für die nach Minsk deportierten Berliner Jüdinnen und Juden. Metropol Verlag, Berlin 2013

6. Quelle des Totenscheins der Rosa Meyer: Datenbank der digitalisierten Dokumente des Ghettos Theresienstadt.

7. Verlegung der Dienststellen des SS-Hauptamtes 1941

Das Haus Fürstenberg am Lützowplatz – 5

Nachdem Sally Fürstenberg bei der Firma Albert Rosenhain eine Stelle als Kaufmann 1879 angetreten hatte – in einem „Galanterie-, Luxus- und Papeterie-Warengeschäft“ – und bereits 1888 vom Kaufmann Albert Rosenhain zu seinem Mitinhaber ernannt wurde, heiratete er im Jahr 1890 dessen 22-jährige einzige Tochter Rose. In diesem Teil der Geschichte verfolgen wir sein Geschäfts- und Familienleben bis zur – erzwungenen – Geschäftsauflösung durch die Nationalsozialisten.

Sally Fürstenberg, der Geschäftsmann

Auch über Sally Fürstenberg waren die Auskünfte, die der Polizeipräsident 1911 und 1914 an die zuständigen Ministerien lieferte – in Sachen Hoflieferant z.B. -, durchweg positiv. Zunächst das Geld: für das Jahr 1914 betrug sein Einkommen 350.000 und sein Vermögen 1,54 Million Mark. Ehrenamtlich war er als vereidigter Sachverständiger bei Gericht tätig (seit 1903), war Mitglied im Vorstand des Verbands der Berliner Spezialgeschäfte und Mitglied des Fachausschusses der Berliner Handelskammer. Im Juni 1914 beantragte der Verband der Spezialgeschäfte für ihn beim Polizeipräsidenten eine Auszeichnung mit einem Orden und verwiess dabei auch auf seine Wohltätigkeit gegenüber seinen Angestellten, aber aus dem Orden ist wohl nichts geworden. Der Polizeipräsident: „In der Geschäftswelt wie im bürgerlichen Leben erfreut er sich allseitiger Achtung und führt sich einwandfrei. In politischer Beziehung ist nachteiliges über ihn nicht bekannt. Im Jahr 1894 ist er wegen Gewerbevergehens zu 20 M Geldstrafe, im Unvermögensfalle 4 Tagen Haft und 1901 wegen Übertretung des § 370.4 R.St.G.B.* mit 5 M Geldstrafe im Nichtbeitreibungsfalle einen Tag Haft bestraft worden. Soldat war er nicht und besitzt auch keine Auszeichnung“ (11). 

* Reichs-Strafgesetzbuch § 370: Übertretungen – Straftaten im Amte: (1876): Absatz 4: wer unberechtigt fischt oder krebst … Da hat er sich wohl ein Sonntagsessen angeln wollen.

Im Jahr 1914 wurde Sally Fürstenberg zum stellvertretenden Handelsrichter ernannt (s. unten), die entsprechende Personalakte fand sich im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (20).

Die Familie Fürstenberg

Sally Fürstenberg und seine Frau Rosa bekamen in den Jahren 1900 bis 1908 vier Söhne: Paul Phillip Hans, geboren am 30. Juni 1900, Werner Fritz, geboren am 1. August 1904, Ulrich Rolf Ernst, geboren am 15.8 August 1906 und Hellmuth Joachim Moritz, geboren am 7. Juli 1908. Alle vier Söhne lernten den Kaufmannsberuf, verblieben in der Firma des Vaters (s. unten), und emigrierten mit ihm gemeinsam 1938 nach Holland – und von dort weiter nach Übersee vor der Besetzung der Niederlande durch die Nationalsozialisten 1942. Ihnen blieb das Schicksal vieler Juden erspart, die aus Deutschland oder aus den von den Nazis besetzten Gebieten deportiert und ermordet wurden. Ihren weiteren Lebensweg werden wir in einem späteren Teil behandeln.

Auffallend und ungewöhnlich an dieser Familiengeschichte ist der Umstand, dass zwischen Hochzeit (1890) und ersten Kind (1900) zehn Jahre vergingen – Familienplanung oder Schicksal? Familienplanung – im heutigen Sinne: Verzögerung der Geburt von Nachkommen um eigene Ziele, z.B. der Frau zunächst realisieren zu können – scheidet sicher aus, Rosa hatte laut Heiratsurkunde keinen Beruf, half stattdessen in der familiären Firma; der Typus der selbstständigen Frau mit Beruf und eigenen beruflichen Ambitionen entwickelte sich erst nach dem 1. Weltkrieg. Auch war das Herausschieben einer Geburt mit Risiken verbunden, solange Geburten per se ein Risiko waren. Zwar waren die hygienischen Standards weiter entwickelt als noch 50 Jahre zuvor (Semmelweis, Pettenkofer, Koch und anderen sei Dank) und Kindersterblichkeit und Kindsbettfieber deutlich zurückgegangen, aber keineswegs verschwunden: Säuglingssterblichkeit (im ersten Lebensjahr) betrug in Deutschland 1900 noch ca. 16%, Kindersterblichkeit (in den ersten 5 Jahren) noch mehr als 30%, und Müttersterblichkeit war mit 300 toten Müttern auf 100.000 Geburten sehr hoch (heute: 7 pro 100.000 Geburten) (21). 

Um zu prüfen, ob im Zeitraum von 1890 bis 1900 nicht vielleicht doch ein weiteres Kind geboren worden war, das nicht lange überlebt hatte, wurden die Namenslisten des zuständigen Standesamtes in Berlin (Standesamt I/II) durchforstet – ohne Ergebnis. Bleibt noch die Möglichkeit, dass es zu einem spontanen, frühen Abbruch einer Schwangerschaft gekommen sein könnte, der nicht als Tot- oder Fehlgeburt gemeldet werden musste, oder dass eine andere, medizinisch oder sonst wie begründete Zeugungsunfähigkeit bei Mann und/oder Frau vorgelegen haben mag – das wäre dann Schicksal und würde sich einer historischen Analyse weitgehend entziehen.

Der Umzug an den Lützowplatz 1905

In den ersten 15 Jahren nach der Ehe wohnte Sally Fürstenberg noch in der Friedrichstadt, in der Nähe seiner Firma Albert Rosenhain an der Leipziger Straße 72: Zunächst (ab 1891) in der Wallstraße 60, und ab 1896 in der Jerusalemstra0e 11-12; im Jahr 1905 zog die Familie an den Lützowplatz 5 (heute Nr. 9).

Es würde den Rahmen dieser Geschichte sprengen, hier die Auswertung der 7 Bände der Bauakte des Gebäudes Lützowplatz 5 vorzunehmen (22). Eine kurze Version soll hier nur die Rahmendaten berichten: Das Haus war ursprünglich 1873 als freistehendes zweigeschossiges Wohnhaus für die Geschwister Carl Ferdinand und Hermann August Zimmermann und ihre Familien geplant worden (Bild 23), die ein Grundstück von „angeblich 201 QR“ (QR= Quadratruten, ca. 2800 qm) im Jahr 1871 von den Spekulanten Collins & Lau (s. mittendran vom 19.5.2021) gekauft hatten und bis dahin am Tempelhofer Ufer 34 wohnten. 

Bild 23: Situationsplan des Wohnhauses am Lützowplatz 5 (links) sowie Fassade des Wohnhauses 1873 (oben) und 1891 (unten). Quelle: (22).

Die Bauerlaubnis erfolgte am 31. Mai 1873, ein Jahr später wurde der Anschluss der Sickergrube zwischen Wohnhaus und Stall an die öffentliche Kanalisation angeschlossen (Bild 24). Ein Umbau im Jahre 1891 erhöhte das Haus um ein weiteres Stockwerk (Bild 23) und ein Quergebäude anstelle des früheren Stallgebäudes, so dass die Besitzerin, die Witwe Gina Zimmermann, das Haus teilweise vermieten konnte. 1898 wurde das Quergebäude umgebaut und erweitert. Als die Familie Fürstenberg 1905 das Haus erwarb, waren von der Gesamtfläche von 1423qm ca. 634 qm bebaut, so dass – nach einer Erweiterung des Quergebäudes um ca. 80qm im Jahre 1928 – die Familie (Sally, Rosa und 4 Kinder, und zumindest 1924 seine Mutter) auf der sogenannten „Beletage“ (Hochparterre) mit insgesamt mehr als 700 qm komfortable lebte (Bild 25) und die beiden darüber liegenden Etagen vermietete – die Mietpreise bewegten sich zu dieser Zeit im Bereich von 5700 Mark/Jahr für das ganze Haus (1888), wie wir aus einer anderen Akte (23) wissen. Ihre Mieter waren zumeist Professoren und Bankiers, dazu war dies eine viel zu begehrte Lage und der Preis verhältnismäßig hoch, gemessen an den durchschnittlichen Jahreseinkommen.

Bild 24: Grundstücksplan mit Senkgrube und Anschluß an die Kanalisation 1874. Quelle: (22).
Bild 25: Grundriss der Wohnung im Hochparterre, die die Familie Fürstenberg ab 1905 bewohnte. Die farbig markierten Teile sind die Erweiterungen im Jahr 1891, so dass die Gesamt-Wohnfläche 634qm betrug. Quelle: Bauakte (22).

Firmengründung 1924

Zwar hatte sich Albert Rosenhain bereits 1901 aus der Leitung der Firma Albert Rosenhain zurückgezogen und die Geschäftsführung den Gebrüdern Sally und Gustav Fürstenberg überlassen, aber er war mit Sicherheit noch stiller Teilhaber. Als er am 20. August 1916 im Alter von 79 Jahre verstarb, wohnten er und seine Frau Line (Samueline) in Berlin in der Königin-Augusta-Straße 24, auf der anderen Seite des Landwehrkanals. Line Rosenhain geborene Löwenthal starb am 24. Juli 1924 in Alter von 80 Jahre alt und wohnte zu diesem Zeitpunkt am Lützowplatz 5, auch wenn auf ihrer Sterbeurkunde die Adresse Königin-Augusta-Straße 24 angegeben war. Und Rosa Fürstenberg geborenere Rosenhain, Ehefrau des Sally Fürstenberg starb am 8. September 1925, ihr Tod wurde durch ihren Sohn Paul Fürstenberg angezeigt (Bild 26).

Bild 26: Sterbeurkunde der Rosa Fürstenberg geborene Rosenhain vom 8. September 1925.
Der Tod wird vom Sohn Paul Fürstenberg angezeigt.

Spätestens nach dem Tod des Firmengründers war offenbar eine Neugründung der Firma Albert Rosenhain notwendig, wie eine Akte aus dem Handelsregister B des Amtsgerichts Charlottenburg belegt: Am 13. März 1922 hatten Sally und Gustav einen neuen Gesellschaftervertrag vorgelegt, in dem die bislang offene Handelsgesellschaft in eine G.m.b.H. umgewandelt wurde. „Gegenstand des Unternehmens ist der Vertrieb von Leder-, Luxus- und Galanteriewaren, insbesondere der Fortbetrieb des zu Berlin unter der Firma Albert Rosenhain bestehenden Handelsunternehmens, zu dem Grundstücke nicht gehören“ (11). Das Stammkapital von 5 Mio. Mark wird in 500 Anteilen von je 10.000 Mark im Verhältnis von 3:2 unter den beiden Eignern (Sally, Gustav) aufgeteilt. Die Geschäftsführung übernehmen die beiden Gesellschafter, die dafür jeweils ein Jahresgehalt von 200.000 Mark erhalten, die Ehefrauen der beiden werden zu stellvertretenden Geschäftsführerinnen. 

Nach dem frühen Tod seines Bruders und Kompagnons Gustav am 8. April 1931 im Alter von 61 Jahren trat seine Witwe Sophia geb. Birnholz als stellvertretende Geschäftsführerin zurück, blieb aber Gesellschafterin, und Sallys ältester Sohn Paul trat als Geschäftsführer ein. Im Jahr 1933 wurden auch die anderen Söhne Gesellschafter: Das nach Hyperinflation des Jahres 1923 und der Währungsreform 1924 registrierte Stammkapital von 1.25 Mio. Reichsmark (RM) verteilte sich im Verhältnis von 4:2:1:1:1:1 auf Sophia, Sally, und die Söhne Paul, Fritz, Ulrich bzw. Hellmut; die waren jetzt 23, 19, 17 und 15 Jahre alt. Paul bekommt eine Generalvollmacht, seinen Vater in allen Angelegenheiten allein vertreten zu dürfen. Diese Vollmacht wird bereits in Amsterdam im deutschen Generalkonsulat angefertigt – die Familie war 1933 ausgereist. Zwei Jahre später, mit Datum vom 27.September 1935, teilen die beiden Geschäftsführer (Sally, Paul Fürstenberg) dem Amtsgericht Berlin (Handelsregister) mit, dass aufgrund notarieller Verhandlungen vom 16.September 1935 die Gesellschaft aufgelöst ist und sie beide zu Liquidatoren bestellt worden sind. Der Liquidationsprozess dauert allerdings noch bis 1943 und wird erst am 29. Juli 1943 von der Berliner Revisions-Aktiengesellschaft bestätigt, die „die Bücher und Schriften … aufbewahrt“ – davon wird noch zu reden sein (s. unten, Firmenauflösung).

Handelsrichter Fürstenberg

Bereits vor seiner Ernennung und Vereidigung als Handelsrichter im Jahr 1914 war Sally Fürstenberg vereidigter Sachverständiger für Leder-, Luxus- und Galanteriewaren bei den Berliner Gerichten (laut Adressbuch seit 1903), war seit 10 Jahren Kaufmannsgerichts-Beisitzer und II. Vorsitzender des ständigen Ausschusses für den Kleinhandel der Handelskammer zu Berlin. Mit Datum 1. Juli 1914 wurde er für 3 Jahre zum stellvertretenden Handelsrichter am Landgericht II ernannt; diese Bestallung wurde 1918, 1920, 1923, 1926 und 1929 erneuert. 1931 wird er zudem als Sachverständiger für das Kammergericht und die Landgerichte I, II und III bestätigt. Im Jahr 1932 wird die Ernennung zum Handelsrichter nicht erneuert, aber unter ausdrücklichem Verweis darauf, dass dies „lediglich deshalb nicht erfolgt, weil mit Rücksicht auf die Abnahme der Handelssachen eine Verminderung der Zahl der Handelsrichter vorgenommen werden musste“ (20).

Personalakten enthalten keine gerichtlichen oder juristischen Vorgänge, an denen der Handelsrichter Fürstenberg beteiligt war, sondern vor allem Urlaubsgesuche, Krankschreibungen und beamtenrechtliche Vorgänge. Gelegentlich weist dies auf berufliche bedingte Reisen z.B. zur Leipziger Messe hin, manchmal enthalten Urlaubsgesuche Hinweise auf familiäre Gründe: so z.B. bei einem Urlaubsgesuch vom 12. Januar 1924 unter Hinweis auf eine schwere Erkrankung seiner Frau Rosa – „im Dez. 23 und Anfang Januar 24 wegen plötzlich einsetzender Erblindung eines Auges (infolge schwerer Erkrankung ihres Gefäßsystems)“ – die daran im Sommer des Jahres verstarb (s. oben, Bild 26). Oder eine eigene Erkrankung (ein stark juckendes Hautleiden, behandelnder Arzt Prof. Chajes) im Juli 1925, die nach einer Stress-bedingten psychosomatischen Reaktion klingt (wenn dem Autor diese „Ferndiagnose“ gestattet ist).

Und dann findet sich doch noch ein dienstlicher Vorgang: In einem Zeitungsartikel vom 8. September 1925 (20) wurde dem Handelsrichter Fürstenberg und einem weiteren Kollegen vorgeworfen, ihre Positionen im Aufsichtsrat einer Firma dazu benutzt zu haben, einen noch nicht vom Aufsichtsrat genehmigten Bilanzbericht einer Konkurrenzfirma zur Einsicht gegeben zu haben. Die Sache wurde als erledigt betrachtet, als klar war, dass der Konkurrent der Firma früher angehörte hatte, die Daten aus anderen Quellen kannte, und die beiden Aufsichtsräte sich redlich und erfolgreich bemüht hatten, die allseits bekannten Streitigkeiten in der Firma vorgerichtlich zu klären.

Wohin mit dem vielen Geld: Immobilienkauf und Pferderennsport

Zählten die Fürstenbergs bereits nach der Jahrhundertwende zu den reichsten Menschen in Berlin (13), so hat sich diese privilegierte Situation in den Jahren bis zur Auflösung der Firma und Emigration – natürlich – nicht verschlechtert. Deutlich wird dies weniger an der Wohnsituation als vielmehr an den Investitionen, die Sally tätigte. Wir hatten aber schon gesehen, dass sein jüngerer Bruder Gustav 1930 in das Villenviertel Dahlem zog und dort eine Immobilie erwarb und bewohnte.

Zum einen waren dies Immobilien in den besten Lagen der Stadt, wie man den Adressbüchern Berlins entnehmen kann: Das erste Grundstück war in der Leipzigerstraße 73/74, erworben 1906, sowie das rückwärtig dazu gelegene Grundstück Niederwallstrasse 13/14, erworben 1908; hier waren die Geschäftsräume (s. Bild 21). In der Lietzenburgerstraße 13 besaß die Familie seit 1908 ein Grundstück, auf dem ein Wohnhaus stand. 1919 erwarb Sally Fürstenberg auch noch das Grundstück Lützowstraße 60 in unmittelbar Nachbarschaft zum Wohnsitz Lützowplatz 5 – die beiden Gartengrundstücke waren hinter den Häuserreihen miteinander verbunden (Bild 27). Die Familie erwarb 1932 die Grundstücke Kurfürstendamm 230 und 232; Eigentümer war hier die „Kurfürstendamm Wohnstätten AG“ mit Sitz in der Leipzigerstrasse 72,74 (Firma Rosenhain). Weitere Erwerbungen waren 1933 ein Wohnhaus in der Augsburgerstrasse 34 (1934 war der Eigentümer die Firma Rosenhain, Kurfürstendamm 228, danach die o.g. Wohnstätten AG) und 1934 ein Wohnhaus in der Wassertorstrasse 3 (Kreuzberg). All diese Immobilien mussten aufgrund der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938 veräußert werden und wurden – weit unter Wert – für die Bezahlung der Reichsfluchtsteuer genutzt – dazu ein andermal mehr.

Bild 27: Die Grundstücke Lützowplatz 5 und Lützowstrasse 60 des Sally Fürstenberg. Die Gartenanteile stoßen oben rechtwinklig zueinander. Die farbig markierten Bauteile sind Erweiterungen bzw. Abbruch im Jahr 1928. Quelle: Bauakte (22).

Und dann waren da noch die Rennpferde, wie wir aus einer Sammlung von Presseartikeln zu Sally Fürstenbergs 70. Geburtstag im Jahr 1930 erfahren haben – gefunden im Jüdischen Museum von Berlin (JBM), dem JBM von Nachkommen der Familie Fürstenberg in den USA zur Verfügung gestellt (24). Textlich waren die meisten der 33 Artikel nicht unabhängig voneinander (auch Journalisten schreiben voneinander ab), das Foto des Jubilars war in den meisten Fällen das gleiche, und bezüglich der Lebensdaten und Fakten enthielten Sie nicht viel Neues über das hinaus, was wir inzwischen in Archiven gefunden hatten, aber definitiv neu war die Sache mit den Rennpferden. Wenn man sie dann weiß, sind weitere Informationen leicht zu finden in der Tagespresse, insbesondere in den Meldungen zum Pferderennsport.

Zwischen 1922 und 1929 konnte wir acht Rennpferde identifizieren, als deren alleiniger Besitzer Sally Fürstenberg genannt wurde. Dies waren von 1922 bis 1925 der Hengst Contrahent, 1923 und 1924 die Pferde Palette sowie Blücher, 1925 Toga, 1925 bis 1927 Mainberg, 1926 bis 1929 Tullus Hostilius und Freier Wille, und schließlich 1925 bis 1928 Pilatus, das ihm anfänglich zur Hälfte gehörte, zuletzt aber unter E.S.Fürstenberg lief. Mit Mainberg hatte er 1927 seine größten Gewinner: „Herr E.S.Fürstenberg ist der Besitzer des Siegers im großen Preis von Karlshorst, Mainberg, der die Gesamtgewinnsumme, die 37 570 Mark ausmacht, bis auf einen geringen Bruchteil, allein zusammentrug“ (25). Der Hengst mit dem Namen Tullus Hostilius (Bild 28), benannt nach dem sagenumwobenen dritten römischen König (710 – 640 v.Chr.), konnte auf eine stattliche Herkunft zurückblickend, die bei Rennpferden (wie beim Adel) auf das Sorgfältigste dokumentiert wurden und werden; er war vermutlich das teuerste Engagement von Sally Fürstenberg. Er galt in der Saison 1927 als Favorit für das Deutsche Derby, patzte aber aufgrund der Wetterbedingungen. Bei einem Rennen in Berlin-Hoppegarten am 26. Juli des gleichen Jahres verletzte er sich schwer (Bruch der linken Fußwurzel) und schied für weitere Monate aus dem Rennbetrieb aus. Als er im Oktober als wiederhergestellt galt, wurde vermeldet, dass er nicht mehr zum Rennbetrieb tauge, sondern zu Zuchtzwecken eingesetzt werden sollte; 1931 wurde er verpachtet – für Sally Fürstenberg sicherlich ein ganz erheblicher finanzieller Verlust. 

Bild 28: Der irische Schimmel Tullus Hostilius des Sally Fürstenberg. Das Pferd verletzte sich bei einem Rennen 1927 und fand danach zu Zuchtzwecken Verwendung. Quelle: (25).

Die Auflösung der Firma Rosenhain

Die erzwungene Geschäftsauflösung der Firma Rosenhain, der Zwangsverkauf aller ihrer Immobilien und die Zahlung einer horrenden Reichsfluchtsteuer als Voraussetzung für die Emigration der Familie Fürstenberg aus Deutschland sind Thema eines weiteren Teils dieser Geschichte. Deren Grundlage waren eine Vielzahl von antijüdischen Gesetzen, die die Nationalsozialisten in den Jahren nach der Machtergreifung 1933 erlassen hatten (26). Viele der dabei erzwungenen „Verträge“ der Familie Fürstenberg mit dem deutschen Reich wurden erst in den Restitutionsverfahren der Familie nach dem Krieg öffentlich bekannt und werden hier erstmals ausgewertet. Eine Darstellung dieser sinnentstellend „Wiedergutmachungsverfahren“ genannten Prozesse ab 1950 wird diese Familiengeschichte abschließen.

Literatur (für Nummern unter 20 siehe die Teile 1 bis 4)

20. Landgericht II Berlin, Personalakten betreffend den stellvertretenden Handelsrichter Egon Sally Fürstenberg. Signatur 4A KG Pers 10837 im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (BLHA) Potsdam. 

21. Säuglings-, Kinder- und Müttersterblichkeit. Siehe die entsprechenden Artikel in Wikipedia mit diesen und weiteren Quellen, z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Säuglingssterblichkeit.

22. Bauakten des Wohnhauses Lützowplatz 5 (heute: 9) im Bauakten-Archiv des Bezirksamtes Berlin-Mitte; auf Anfrage waren es sieben Akten, die nur durch den Eigentümer einsehbar sind. Die Einsichtnahme erfolgte durch Herrn Dr. Wellmann vom HaL, der die Scans zur Verfügung stellte.

23. Akten der Stadtverordneten-Versammlung zu Berlin, betreffend den Lützowplatz. Im Landesarchiv Berlin, Signataur A Rep. 000-02-01 Nr. 734 – darin sind für die einzelnen Häuser am Lützowplatz die Mieten im Jahr 1888 aufgelistet.

24. Archiv des Jüdischen Museums Berlin (JMB), Akte Nr. L-2005/30/5, ein in Leder gebundenen Buch mit Zeitungsausschnitten von 1930 anlässlich des 70. Geburtstages von Sally Fürstenberg. Das Foto des Pferdes Tullus Hostilius war in der B.Z. am Mittag Nr. 35 vom 5. Februar 1930 auf der Titelseite abgebildet.

25. Deutsche Allgemeine Zeitung, Mittagsausgabe vom 23.November 1927, Seite 3.

26. Die Liste der antijüdische Gesetze finden sich bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_antijüdischer_Rechtsvorschriften_im_Deutschen_Reich_1933–1945

Das Haus Fürstenberg am Lützowplatz – 4

Im Jahr 1879 trat Sally Fürstenberg bei der Firma Albert Rosenhain eine Stelle als Kaufmann an – in einem „Galanterie-, Luxus- und Papeterie-Warengeschäft“, das später als „Haus der Geschenke“ in Berlin und weit darüber hinaus bekannt sein wird. Bereits nach wenigen Jahren (1888) wurde er vom Kaufmann Albert Rosenhain zu seinem Mitinhaber ernannt; außerdem gab er ihm die einzige Tochter Rose, geboren am 30. Januar 1868 in Berlin, zur Frau (1890). 

Die Herkunft der Familie Rosenhain

Die Herkunft der Familie von Rose Rosenhain, die am 19. Juni 1890 den Sally Fürstenberg heiratete, ist in den Genealogie-Foren wie Ancestry, FamilySearch und Geni mindestens so widersprüchlich wie die ihres Mannes, und nicht zuletzt deswegen, weil der Name Rosenhain auch Rosenhaim, Rosenhein oder Rosenhayn geschrieben wurde und weil die Orte Rosenberg, Deutsch Eylau und Freystadt (alle Kreis Rosenberg), die in dieser Genealogie auftauchen, alle sehr klein waren und sehr dicht beieinander lagen. Arbeiten wir uns also rückwärts und schauen mal, wohin wir kommen.

Der Vater von Rose Rosenhain war Albert Rosenhain, geboren 1837, in Roses Heiratsurkunde heißt er „Abraham (Albert) Rosenhain“, verheiratet mit Samuelina Rosenhain geborene Löwenthal, wohnhaft in Berlin (Königin Augusta Straße 24). Der Vater war Trauzeuge und unterschrieb mit „Albert Rosenhain“, ebenso der Kaufmann Philipp Fürstenberg, der Vater von Sally.

Albert Rosenhain verstarb am 20. August 1916 in Berlin. In seiner Sterbeurkunde heißt es, er wurde geboren zu Rosenberg in Westpreußen (WP), war „Sohn des Kaufmanns Joachim Rosenhain und dessen Ehefrau Jeanette Zuname unbekannt“, die beide zuletzt nicht in Berlin wohnhaft waren, sondern in Rosenberg bzw. Freystadt, Kreis Rosenberg, WP. Er wurde 79 Jahre alt, d.h. er wurde um 1837 geboren; seine Frau Lina starb im Alter von 80 Jahren am 24. Juli 1924 in Berlin im Hause ihres Schwiegersohns Sally Fürstenberg (Lützowplatz 5), sie wurde demnach um 1844 geboren.

„Abraham genannt Albert Rosenhain in Berlin Leipziger Straße 72 wohnend 30 Jahre alt“ heiratete in Posen „laut Verhandlung am 15. April 1867 (… die Heirathen der Juden betreffend) … die Jungfrau Samuelina Löwenthal, Tochter des Rentier Moritz Löwenthal zu Posen, St. Martin Nr. 45 wohnend, 23 Jahre alt. Eingetragen Posen den fünfzehnten April Achtzehn hundert sieben und sechzig„. Die Information wurde am Stadtgericht Berlin eingetragen am 20. April 1867 (15). Die Verlobung war im November 1866 (Bild 15). 

Bild 15: Verlobungsanzeige in der National-Zeitung vom 30. November 1866 und Heiratseintrag vom 15. April 1867 (Quelle: (15)).

Albert Rosenhain hatte eine Schwester, Johanna Cohn geb. Rosenhain, geboren in Deutsch-Eylau Kreis Rosenberg, WP, verstorben am 22. März 1895 in Berlin im jüdischen Krankenhaus, wohnhaft 1895 zu Deutsch-Eylau beim Ehemann, dem Gerber Raphael Emil Cohn. Sie war Tochter des Kaufmanns Rosenhain und dessen Ehefrau Jeanette geb. Fabian (womit wir ihren Nachnamen gefunden haben), beide verstorben, zuletzt zu Rosenberg wohnhaft. Johanna Cohn war, als sie 1895 starb, 60 Jahre alt, also um 1835 geboren.

Ein Großvater, zwei Geburtsorte?

Damit haben wir zwei mögliche Geburtsorte des Großvaters von Rose Fürstenberg geborene Rosenhain und ihrer Großtante Johanna Cohn, nämlich Rosenberg (heute: Susz, Polen) im Kreis Rosenberg, WP, und Deutsch Eylau (heute: Eylau, Polen) im gleichen Kreis (Bild 16). Da diese nur etwa 20 km weit auseinanderliegen, ist es gut möglich, dass einer der beiden Angaben durch ein Versehen des Standesbeamten oder des Anzeigenden des Todes entstanden ist. Um dies zu klären, haben wir die Judenregister der Provinz WP durchgeschaut, die im Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem liegen, aber auch digital im Internet zur Verfügung stehen.

Bild 16: Karte des Kreises Rosenberg von 1890 (Auszug aus einer größeren Karte von Ost- und Westpreußen) (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei).
Bild 17: Karte von Deutsch Eylau im Jahr 1810 (Quelle: (16)).

Im Jahr 1801 gab es in Deutsch Eylau (Bild 17) nur einen „ordentlichen“ Juden, nämlich einen Jacob Abraham, der seine Schutzjuden-Konzession am 21. Mai 1789 erhalten hatte (Bild 18), sowie einen weiteren „außerordentlichen“ Juden namens Casper Laser mit Konzession vom 6. März 1800. Über Casper Laser gibt es ein paar Information aus der Geschichte Deutsch Eylaus (16), über Jacob Abraham wissen wir so gut wie nichts. Er muss im Jahr 1805 verstorben sein, weil in diesem Jahr (am 28. Februar 1805) seine Konzession an seinen Sohn Daniel Abraham überging (nur ein Sohn oder Schwiegersohn „erbte“ den Status Schutzjude). Daniels Frau hieß Sara, und im Jahre 1806/7 hatten sie eine Tochter (Rahel). Daniel war – vermutlich wie sein Vater – Kaufmann für „Schnittwaaren“ (Stoffe) und hatte ein Vermögen von 2000 Taler, was möglicherweise die Voraussetzung dafür war, den Status Schutzjude zu behalten. In den Jahren 1806, 1807 und 1808 nahm die Anzahl der Juden im Ort zu: nebst Casper Laser und Daniel Jacob Abraham gab es jetzt öffentliche (z.B. Schulmeister, Totengräber) und private „Bediente“ (z.B. Handlungsdiener) sowie einige „tolerierte Juden“, jeweils mit oder ohne Familie. Nach dem Erlass des Juden-Edikts im Jahr 1812 nahmen Daniel Jacob Abraham und ein Joachim Jacob Abraham den Nachnamen Rosenhain an (17) (Bild 19); vermutlich ist der Joachim Jacob Abraham ein zweiter, allerdings erheblich jüngerer Sohn des Jacob Abraham. Die Durchsicht der Juden-Register für die Städte Rosenberg und Freystadt ergaben keine Hinweise auf eine Familie, deren Nachname 1812 Rosenhain wurde. Damit hätten wir die Herkunft der Rosa Rosenhain bis zu ihrem Urgroßvater väterlicherseits, Jacob Abraham aus Deutsch Eylau, aufgeklärt.

Bild 18: Schutzjuden in Deutsch Eylau im Jahr 1801 (Quelle: a Akte I. HA Rap. 104, IV C Nr. 236a: Bestandsaufnahme der in den preußischen Provinzen lebenden Juden, Bd. 1: Ostpreußen, Westpreußen und Pommern).
Bild 19: Namensänderung des Joachim Jacob Abraham und des Daniel Jacob Abraham (Quelle: (17)).

Die Firma Albert Rosenhain in der Leipziger Straße

Eine Dokumentation mit vielen Fotos aus dem Jahr 1909 (18) und eine Festschrift zum 60. Firmenjubiläum der Firma Albert Rosenhain 1924 (19) geben Auskunft über die frühen Jahre der Firma: Bei der Eröffnung am 6. September 1864 war der Eigentümer Albert Rosenhain 28 Jahre alt, aber ob es wirklich neben ihm noch einen Seniorchef gab („von allen der Vater genannt“), wie in der Festschrift von 1924 unterstellt (19), ist zweifelhaft: Zunächst waren nur 2, dann 4 Angestellte neben dem Chef tätig, dann stiegen die Zahlen stetig. Bis 1884 waren es 8 Angestellte, bis 1889 dann 15, bis 1894 32, bis 1899 85, bis 1904 116, und bis 1909 schließlich 180 Angestellte (19). „Vater“ war wahrscheinlich die Bezeichnung für Albert Rosenhain, nachdem Sally Fürstenberg 1888 sein Teilhaber geworden war – da hatte er immerhin das Alter von 50 Jahren erreicht.

Das Geschäft war in der Leipziger Straße 72, schräg gegenüber vom Dönhoffplatz, neben den Königskolonaden. Nicht nur die Anzahl der Angestellten, auch die Bautätigkeit zeigt das gleiche stetige Wachstum, wie das Bild des Ladengeschäftes um 1896 zeigt (Bild 20). Albert Rosenhain brachte das „Galanterie-, Luxus- und Papeterie-Warengeschäft“ sicher durch die Zeit des Krieges 1870/71 und durch die Wirtschaftskrise nach der Gründerzeit, die für viele Firmen das Ende bedeutete, weil sie sich verspekuliert hatten. 

Bild 20: Das Geschäft des Albert Rosenhain an den Kolonaden um 1896 (links) (Quelle: Panorama von Berlin für die Gewerbeausstellung 1896, S. 38; digital bei der ZLB (19)),

Im Jahr 1879 trat Sally Fürstenberg in die Firma ein: „Er war der rechte Mann zur rechten Zeit. Jung, voller Tatkraft, voller Initiative … der der Firma einen neuen Inhalt gab, der durch seine Rührigkeit, seinen Arbeitseifer und sein hingebendes Interesse … von vornherein darauf ausging, das Geschäft Albert Rosenhains zu erweitern und zu vergrößern und dem es letzten Endes … gelang, … eine ganz neue Branche zu entwickeln …“ (20). Die Firma war an der großen Gewerbeausstellung 1896 beteiligt, ungewöhnlich für ein Einzelhandelsgeschäft, erweiterte die Geschäftsräume mit dem Umzug in die Leipzigerstraße 73/74, mietete Räumlichkeiten in der Nr. 75, bis schließlich die „Rosenhain Passage“ bis zu Niederwallstraße reichte (Bild 21).

Bild 21: Das Galanteriewaren-Geschäft Albert Rosenhain in der Leipziger Straße 73-74 im Jahr 1809 (aus: (18)).

Als sich Albert Rosenhain 1901 aus dem Geschäftsleben zurückzog, stieg Sallys Bruder Gustav Fürstenberg als Teilhaber in das Geschäft ein (Bild 22). Im Jahr 1914, so berichtete der Polizeipräsident (11), beschäftigte die Firma 250 Personen und hat einen Jahresumsatz von mehr als 4 Millionen Mark. 1911 wurde die Firma Hoflieferant des Königs von Rumänien, im Jahre 1913 wurden die Fürstenberg-Brüder preußischer Hoflieferanten – dies veranlasste das Auskunftsersuchen bei der Polizei (siehe Teil 3).

Bild 22: Der Firmengründer Albert Rosenhain (Mitte), Sally Fürstenberg (links) und Gustav Fürstenberg (rechts) (aus: (18))

Literatur

15. Juden- und Dissidenten-Register 1812-1874 des Stadtgerichts Berlin, digitalisiert und archiviert bei FamilySearch:  https://www.familysearch.org/search/catalog/105476?availability=Family History Library

16. J.Kaufmann: Geschichte der Stadt Deutsch Eylau. Danzig, L.Saunier´s Buch- und Kunsthandlung 1905.

17. General-Verzeichnis sämmtlicher in dem Departement der Königl. Regierung von Westpreußen vorhandenen Juden welchen das Staatsbürger-Recht ertheilet worden. Marienwerder, gedruckt in der Königl. Westpreuß. Hofbuchdruckerey.

18. Maximilian Rosen, Hrsg.: Die Entwicklung Gross-Berlins. Die Führenden und ihr Werk. Dritte Abteilung: Gewerbe, Handel, Industrie. Albert Rosenhain (Sonderdruck). Archiv für Kunst und Wissenschaft, Berlin 1909.

19. https://digital.zlb.de/viewer/image/34127884/1/LOG_0000/

20. Die Geschichte des Hauses Albert Rosenhain. Den Chefs der Firma, den Herren Egon S. Fürstenberg und Gustav Fürstenberg anläßlich des 60 jährigen Bestehens der Firma am 6. September 1924 gewidmet. Berlin (Eigendruck) 1924

Jüdische Geschichte in Tiergarten-Süd: Die Synagoge Lützowstr. 16

Wenn die Synagoge an der Potsdamer Brücke der „Tempel der Millionäre“ genannt wurde, war dann die nur 20 Jahre später gebaute Synagoge an der Lützowstraße 16 der „Tempel der kleinen Leute“? Weit gefehlt: Sie war größer, besser ausgestattet, eindrucksvoller, und dazu architektonisch sehr viel traditioneller gebaut als die orthodoxe Privatsynagoge, wie ein soeben erschienenes Buch über drei Berliner Gemeindesynagogen (Lützowstraße, Lindenstraße, Rykestraße) belegt (1). Und reiche Gemeindemitglieder hatte sie auch, wie wir sehen werden.

Aufgrund der Fülle des Materials sollen im Folgenden nur einige Aspekte der Baugeschichte beleuchtet werden, für Details und vielfältiges Bildmaterial verweisen wir auf das Buch (1) sowie auf bereits früher publizierte Quellen (2-4) zu den Berliner Synagogen.

Was sind Reformsynagogen?

Als Reformsynagogen werden Gemeindesynagogen bezeichnet, die nicht am strengen, traditionellen jüdischen Ritus ausgerichtet sind. Als liberaler Zweig des Judentums zeichnet sie sich durch eine weniger ausgeprägte Betonung von Ritualen und der persönlichen Einhaltung der religiösen Ge- und Verbote des jüdischen Gesetzes aus als es bei konservativeren jüdischen Strömungen der Fall ist, denn jeder einzelne Jude gilt im liberalen Judentum als autonom. Es bestand und besteht eine große Offenheit gegenüber äußeren Einflüssen und fortschrittlichen Werten. Ein bedeutender Vertreter in Deutschland war Leo Baeck (1873–1956), die unumstrittene Führungsfigur und Repräsentant der deutschen Judenheit (5).

Die Architekten der Synagoge, die in und für Berlin bedeutende Firma Cremer & Wolffenstein, beantragten am 19. Juni 1896 den Neubau einer Synagoge auf dem Grundstück Lützowstraße 16 und Potsdamerstraße 118 – im Antrag steht fälschlicherweise die Hausnummer 112, aber alle anderen Unterlagen benennen immer die korrekte Nummer 118. Sie führen weiter aus „Da das Allerhöchste nach Osten belegend ein muss …“ (6).

Hier stutzt und staunt der naive Leser: Offenbar galten auch für Reformsynagogen strenge religiöse Bauvorschriften: Allerheiligstes nach Osten, separate Alltags- und Festtags-Beträume, getrennte Eingänge/Höfe für Männer und Frauen, separates Trau-Zimmer, Frauenplätze auf der Empore, etc. Aus diesem Grunde war, so die Informationen aus der Baugeschichte (1), ein vorheriger Plan für eine neue Synagoge am Schöneberger Ufer gescheitert. Und der naive Leser fragt sich weiter: War denn dies alles gegeben bei der kleinen, traditionellen Synagoge an der Potsdamer Brücke, die in einem bereits vorhandenen Gebäude, einem ehemaligen Landwirtschaftsmuseum eingerichtet worden war (s. mittendran vom 20.8.2022)? Jedenfalls bauten die beiden Architekten ihre erste Synagoge in dem Stile, in dem sie zuvor vor allem christlichen Kirchen gebaut hatten: als „dreischiffiger Bau mit zwei kurzen, aber breiten Querhausarmen näherte sich der Grundriss der Form eines lateinischen Kreuzes an und war somit deutlich am christlichen Kirchenbau orientiert“ (1), auch in der äußeren Gestaltung („Backsteingotik“); dies war durchaus im Sinne der Reformgemeinden, die um Gleichstellung mit den christlichen Kirchen bemüht waren, aber innerhalb der Gemeinde nicht unumstritten.

Bild 1 : Grundstück der Synagoge (Schule, unten, an der Lützowstraße 16, und Synagogengebäude im Hof) gemäß Bauakte (6).

Die Synagoge selbst wurde nach jüdischen Vorschriften auf einem von den Kaufleuten Oppenheim (s. unten) bereitgestellten Grundstück (Bild 1). Ähnlich den etwa zur gleichen Zeit entstandenen anderen Gemeindesynagoge in der Lindenstraße und der Sykestraße lag sie als „Hofsynagoge“ nicht unmittelbar an der Straße, sondern war über das Grundstück Lützowstraße 16 zugänglich, in dem eine jüdische Religionsschule, die Wohnung des Portiers, Verwaltungsräume sowie die Wohnung des Kastellans (Kantors) untergebracht war. Ein 5,3m breiter Torbogen durch das Schulgebäude erlaubte den Zugang (Bild 2) zu dem hinter der Häuserreihe gelegenen Synagoge (Bild 3); die Eigentümer der Nachbargrundstücke hatten dieser architektonischen Lösung zugestimmt. Diese Lage und Nähe speziell des Schulgebäudes zu den Wohnhäusern in der Nachbarschaft hat in der Reichspogromnacht (9. November 1939) vielleicht verhindert, dass die Synagoge – wie viele andere – ein Opfer der Flammen wurde.

Bild 2: Zeichnung des Schulgebäudes (rechts, aus Bauakte (6)) und Foto des Torgitters zum Hof (links, aus: Berliner Architekturwelt, 21. Jahrgang 1919, S. 104, Abb. 149, gemeinfrei)
Bild 3: Haupteingang der Synagoge (Zeichnung, links, aus Bauakte (6)) und Foto (rechts, aus: Berliner Architekturwelt, 21. Jahrgang 1919, S. 105, Abb. 150, gemeinfrei) – man beachte die zwischen Bauplanung und Ausführung sichtbaren Modifikationen, z.B. des Giebels.

Die Synagoge bot Platz für fast 2000 Besucher (840 im Erdgeschoß, 945 auf der ersten Empore, 82 auf der zweiten (Frauen-)Empore, dazu 60 Plätze auf der Sängerempore) und war damit eine der größere der Synagogen in Berlin (Bild 4). Sie wurde am 11. September 1898 feierlich eröffnet (7).

Bild 4: Grundriss (links, aus Bauakte (6)) und Foto des innenraumes (aus: Berliner Architekturwelt, 21. Jahrgang 1919, S. 106, Abb. 151, gemeinfrei).

Die Bauzeit war mit knapp 1,5 Jahren (April 1897 bis September 1998) sehr kurz. Die gesamten Baukosten (ohne die Grundstückskosten) beliefen sich auf 515.000 Mark, nach Kaufkraft von heute also etwa das 7-fache in Euro, mithin günstig; die Innenausstattung der Synagoge kostete nochmals etwa 80.000 Mark, die des Vorderhauses etwa 100.000 Mark. Die am Bau und an der Ausstattung beteiligten regionalen und überregionalen Firmen sagen uns heute nicht viel, aber der Lieferant der Orgel verdient Erwähnung: E.F.Walcker u. Co., Ludwigsburg, eine seit dem 18. Jahrhundert im Orgelbau bekannte Firma, die Orgeln in aller Welt gebaut und installiert hat und immer noch baut (8).

Der Orgelstreit

Die Archivarin den Centrum Judaicum, Sabine Hank, erzählte bei einem Besuch folgende Geschichte: als sie einer Nachfahrin eines ehemaligen Berliner Rabbiners erzählte, dass sie in der früheren Synagoge an der Oranienburger Straße in Berlin arbeite, hätte diese entgegnet „Ach, die Orgelsynagoge, in die sind wir nie gegangen“. Was hat sie damit gemeint?

In einer traditionellen Synagoge gab es keine Musik, einzig der Kantor intonierte die vorgeschriebenen religiösen Gesänge. Als einige reformierte Gemeinden zu Beginn des 19. Jahrhunderts dazu übergingen, Orgeln zu installieren und Kirchenmusik einzuführen, kam es zum „Orgelstreit“: „Keine andere synagogale Reform hat so erbitternden Widerstand gefunden wie diese; sie wurden in vielen deutschen Gemeinden der Anlaß zur Bildung von `gesetzestreuen` Gemeinden. Orgelsynagoge erhielt geradezu die Bedeutung von Reformsynagoge“ (9). 

Es wurden von beiden Seiten Gutachten eingeholt zur drei Fragen: 1. Ist Instrumentalbegleitung beim Gottesdienst überhaupt statthaft? 2. Ist sie an Sabbat und Festtagen statthaft? 3. Ist speziell Orgelspiel in Synagogen gestattet? Und wie immer in solchen Fällen gab es positive wie negative Antworten auf diese Fragen, z.B. dass das talmudsche Verbot von Musik sich auf Gelage, aber nicht auf Kirchenmusik beziehe; dass Musik keine Arbeit sei, sondern Kunst, daher zulässig am Sabbat; dass es nur Juden, aber nicht Nicht-Juden verboten sei, an Festtagen zu musizieren; dass die Orgel gar keine christliche Erfindung sei, sondern aus dem Tempel in Jerusalem stamme; dass bei einer jüdischen Hochzeit Musik erlaubt sei, daher erst recht bei der religiösen Feier einer ganzen Gemeinde, usw. usw. (9).

Ab Mitte des 19.Jahrhunderts wurden nach und nach Orgeln in jüdischen Gemeinden in Europa (Österreich 1857) und Amerika (Charleston 1841) installiert. Die Neue Synagoge an der Oranienburger Straße in Berlin erhielt 1862 eine Orgel, aber auch hier gab es Befürworter und Gegner. Eine Synode erklärte schließlich die Einführung der Orgel für empfehlenswert, „… es steht ihrem Spiel am Sabbat und an den Festtagen kein religiöses Bedenken entgegen“ (1869) und „es ist dem Israeliten gestattet, am Sabbat die Orgel im Gotteshaus zu spielen“ (1871). Und so erhielt auch die Synagoge in der Lützowstraße eine Orgel, noch dazu eine der Firma Walcker, Ludwigsburg.

Wie kam die Gemeinde zum Grundstück und zum Bau?

Das im Bauantrag (s. Bild 1) genannte Grundstück Potsdamer Straße 118 wird uns an anderer Stelle noch mal begegnen: hier wohnte von 1837 bis 1856 der Besitzer der Druckerei Haenel, Eduard Hänel (1804-1856), der seine Villa 1840 vom Baumeister des Bürgertums, Eduard Knoblauch (1801-1865) hatte bauen lassen. Nach seinem Ableben (1856) war die alleinstehende Villa 1861 noch für einige Jahre in andere Hände übergegangen (Hertel bzw. Hertel´sche Erben), aber 1883 wurde das Grundstück von den Gebrüder Julius und Louis Oppenheim erworben, das Grundstück wurde geviertelt (118, 118a bis c), die Villa abgerissen und zunächst durch drei mehrstöckige Wohnhäuser entlang der Straßenfront ersetzt, von denen zwei je einem der beiden Brüder gehörte und die zum Teil Mietwohnungen waren; das dritte Haus (118) gehörte dem Rentier Neißer, das vierte Grundstück (118c) blieb bis 1895 unbebaut.

Da das Hänel´sche Grundstück weit in das Hinterland bis zur Druckerei reichte, trennten sich die Brüder Oppenheim 1896 von einem Teil dieses Grundstücks und vermachten es der jüdischen Gemeinde (Bild 1): Die Grundfläche im Hinterland Potsdamer Straße 118b, die damit für den Synagogenbau zur Verfügung stand, betrug 3121 qm zuzüglich 301 qm für das Grundstück Lützowstraße 16, das Julius Oppenheim 1883 ebenfalls erworben hatte, insgesamt also 3422qm, wie Cremer & Wolffenstein im Bauantrag ausführen (6) (Bild 5).

Bild 5: Situationsplan der Lage der Synagoge, projiziert auf einen Straßen- und Gebäudeplan von 1889. Die gelb markierte Fläche ist die für den Synagogenbau zur Verfügung gestellte Fläche von 3422 qm, die die Gebrüder Louis und Julius Oppermann von ihren Grundstücken (Potsdamer Straße 118a, blau; 118b, grün) abgezweigt und der jüdischen Gemeinde geschenkt hatten, einschließlich des Grundstücks Lützowstrasse 16.

Die Kaufleute Oppenheim

Bei der Suche nach der Herkunft der Gebrüder Oppenheim verirrt man sich leicht in dem Umstand, dass es zur gleichen Zeit eine große jüdische Familie Oppenheim in Berlin gab, die im Bankgeschäft tätig waren – die Brüder Louis und Julius Oppenheim gehörten nicht zu ihnen, sie waren Kaufleute, deren Familie aus Pommern stammte, die erst sehr viel später zu Bankiers wurden (s. unten). Aber es gab auch viele Kaufleute mit diesem Namen (und gleichen oder ähnlichen Vornamen, die im Adressbuch meist abgekürzt wurden). Diesen Fehler machen nicht nur Kiezforscher wie wir, sondern auch das Adressbuch Berlins hat angelegentlich die Familien verwechselt. 

Der zielführende Weg war hier der folgende: Die Sterbeurkunden der Brüder Louis und Julius Oppenheim gaben den richtigen Namen des Vaters preis (Neumann Oppenheim), darüber konnten wir dann im Judenbürgerbuch Berlins (10) seine Herkunft und in den Adressbüchern den Weg des Geschäftes verfolgen und ab Jahr der Volljährigkeit der Söhne (1867 bzw. 1869) auch deren Wohnsitze bis zum Umzug in die Potsdamer Straße.

Der Vater von beiden war also Neumann Nachmann Oppenheim, geboren am 2. Juni 1808 in Schwerin an der Warthe (heute: Skwierzyna, Polen), ein Kaufmann. Er hatte am 25. November 1830 das Bürgerrecht bekommen und handelte mit Samt- und Seidenwaren (10). Dessen Vater wiederum war ein Jacob Levin Oppenheim, geboren am 24. September 1777 in Schwerin a.d.W., Kaufmann zu Pyritz in Pommern. Neumann Nachmann Oppenheim heiratete mit 23 Jahren am 11. Dezember 1831 die Lene (Helene) Lindenau, Tochter des Jacob Herz Lindenau, Commissionair, aus der Lindenstraße 15, 28 Jahre alt (10). Neumann und Helene Oppenheim hatten 3 Kinder: Anna Oppenheim (1832-1898), Julius Oppenheim (1833-1909) und Louis Oppenheim (1835-1909).

Vom Kaufmann zum Bankier

Neumann Nachmann Oppenheim erhielt laut Judenbürgerbuch (10) im November 1830 das Bürgerrecht. Im Adressbuch ist er erstmals 1831 verzeichnet: „N.Oppenheim, Modewaaren-Handel, Brüderstraße 18“. Im Jahr 1871 heißt die Firma dann „N.Oppenheim Söhne“ (Damen und Mäntel-Fabrikant, Bazar zur Flora, Jerusalemstr. 20, Eigentümer sind J. und L. Oppenheim). 1879 wird die Firma N.Oppenheim Söhne liquidiert, ein Jahr später ist am gleichen Ort das Bankhaus „N.Oppenheim Söhne“, und die beiden nunmehr als Banquiers bezeichneten Geschäftsleute wohnen in der Eichhornstr. 8 (Louis) und am Halleschen Ufer 28 (Julius) bis zu ihrem Umzug in die Potsdamer Str. 118a bzw. 118b im Jahr 1885. Das Bankhaus existiert noch bis 1891, danach sind die Brüder Rentiers in ihren Häusern; beide starben im Jahr 1909.

Nach dem Tod von Louis und Julius

Von 1909 bis 1920 gehörten die Häuser 118a und 118b den Oppenheimer´schen Erben. Im Haus 119b wohnte 1905 noch die Witwe und Rentiere Anna Oppenheim, die Schwester von Louis und Julius. Ab 1907 ist der einzige Mieter der Deutsche Lyceum-Klub, ein Frauenklub der oberen Zehntausend von Berlin, gegründet von Marie von Bunsen (1860-1941) – auch die ist uns schon begegnet (s. mittendran vom 8. Juni 2021). Im Jahr 1910 zieht die Firma Keller und Reimer, ein Kunstsalon, der bislang an der Potsdamer Straße 122 residierte (s. mittendran vom 28. März 2021) als Mieter ein. Eigentümer ist zuletzt Prof. Leo Paul Oppenheim (1863-1934) aus Berlin Lichterfelde, ein Sohn von Julius und bekannter Geologe und Paläontologe. Im Haus Nr. 118a wohnte bis 1913 die Witwe und Rentiere Lene Oppenheim, die Mutter von Louis und Julius, und bis 1916 die Rentiere Jenny Oppenheim, die Witwe von Louis Oppenheim. Im Haus Nr. 118b residierte nach 1933 das Rassenpolitische Amt der NSDAP, das Rudolf Hess unterstellt war, und das sogleich Beschwerde einlegte gegen die Synagoge (1), aber das gehört in eine andere Geschichte.

Wie wurde die Eröffnung der Synagoge von der Presse aufgenommen?

Zur Einweihung am 11. September 1898 war viel lokale politische Prominenz anwesend, wie die Berliner (Vossische Zeitung vom 12. September 1898) und die jüdische Presse (Jg. 29, 1898, Nr. 39, vom 14. September 1898) zu berichten wussten, in weiten Teilen offenbar auf einem gemeinsamen Text beruhend, der in seinen technischen Teilen (Architektur, Baugeschichte) viele Übereinstimmungen aufweist mit dem im Oktober des gleichen Jahres veröffentlichten Bericht im Centralblatt (7), vermutlich, weil die Architekten die entsprechende Informationen vorab geliefert hatten, die dann auch im Centralblatt veröffentlicht wurden.

Unterschiede zwischen den beiden Berichten konnten wir nur hinsichtlich des letzten Satzes des Artikels in der Jüdischen Presse finden, in dem es heißt, daß ein Chorgesang die Feier beendete, „bei welcher nicht einziges hebräisches Gebet gesprochen wurde, wohl aber Männer und Frauen neben einander saßen“ – dieser Halbsatz fehlt im Artikel der Vossischen Zeitung (Bild 6), ist aber sicher als Referenz an die konservativen Leser der Jüdischen Presse zu verstehen und nachvollziehbar. Auch der Satz „Die staatlichen Behörden waren, wie die antisemitschen Blätter mit Genugtuung hervorheben, nicht vertreten“ fehlt in der Vossischen Zeitung, aber es bleibt offen, welche Zeitungen damit gemeint waren.

Bild 6. Artikel in der Voss´sche Zeitung vom 12. September 1898.

Nicht abgebrannt, aber brutal entweiht

Zwar hatte die Synagoge die Pogromnacht 9. auf 10. November 1939 äußerlich nahezu unbeschädigt überstanden, wohl aber im Innern verwüstet („Altar und Altargegenstände … abgebrochen“). Ob die jüdischen Heiligtümer, z.B. die Tora-Rolle, ebenfalls vernichtet worden sind, ist nicht bekannt, aber es fand vom 22. bis 24. April 1940 noch ein Pessach-Fest statt (3). Im weiteren Verlauf wurde sie dann auf brutale Weise „säkularisiert“ (entweiht, profaniert): 1941 befand sich im Innenraum der Synagoge das Lager einer Möbelfirma, und mit Schreiben vom 13. Oktober 1942 genehmigte der Stadtpräsident von Berlin den „Umbau der Synagoge, sowie eines behelfsmäßigen Lageschuppens und eines vierräumigen Kraftwagenunterstellraumes auf dem Grundstück Lützowstrasse 16„. Die endgültige Zerstörung des Synagogengebäudes erfolgte dann durch die Bombenangriffe, vermutlich am 30. Januar 1944.

Literatur

1. Konstantin Wächter: Die Berliner Gemeindesynagogen im Deutschen Kaiserreich. Integration und Selbstbehauptung. Gebrüder Mann Verlag, Berlin 2022.

2. Synagogen in Berlin, Zur Geschichte einer zerstörten Architektur, Teile 1 und 2. Verlag Wilhelm Arenhövel, Berlin 1983.

3. Nicola Galliner, Hrsg. Wegweiser durch das jüdische Berlin. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1987.

4. Max Sinasohn: Die Berliner Privatsynagogen und ihre Rabbiner, 1671-1971. Zur Erinnerung an das 300jährige Bestehen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Jerusalem 1971.

5. https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Baeck

6. Akte im Landesarchiv Berlin (B Rep. 202 Nr. 2284): „betreffend Grundstück des Eigenthümers: Oppenheim, Jüdische Gemeinde, Lützow.Str. 16, Band 2 (1896)“

7. Centralblatt der Bauverwaltung, 8. Jahrgang Nr. 41 vom 8. Oktober 1898, S. 491-4.

8. https://de.wikipedia.org/wiki/Eberhard_Friedrich_Walcker

9. Max Joseph, Cäsar Seligman: Orgelstreit. In: Jüdisches Lexikon, Band 4.1, Jüdischer Verlag, Berlin 1930 Spalte 601-4.

10. Jacob Jacobson: Die Judenbürgerbücher der Stadt Berlin 1809-1851. Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin 1962.