Das von Karl Abraham gegründete Berliner Psychoanalytische Institut wurde 1922 zum Vorbild der Psychoanalytischen Institute der Welt – und gilt bis heute als der „heilige Gral“ der Freud’schen Psychoanalyse.
Sigmund Freud ging davon aus, dass schwere, unverarbeitete Erfahrungen in der Kindheit verdrängt werden müssen, weil die kindliche Persönlichkeit anderenfalls darunter zusammenbrechen würde. Die Psychoanalyse verspricht Heilung durch die Bewusstmachung des Verdrängten. Noch bevor Freud 1910 die „Internationale Psychoanalytische Vereinigung (IPV)“ gründete, entstand in Berlin auf Initiative seines Schülers Karl Abraham 1908 die Berliner Psychoanalytische Gesellschaft, in der er hoch motivierte und kompetente Menschen (nicht nur Ärzte wie Erich Fromm, Michael Balint, Ernst Simmel) um sich scharte, die sich der Psychoanalyse widmeten.
Gemeinsam mit Max Eitigon und Ernst Simmel gründete Abraham die „Polyklinik für psychoanalytische Behandlung nervöser Krankheiten“ , die am 16. Februar 1920 in der Potsdamer Straße 29 (heute Potsdamer Straße 74) eröffnet wurde.
Diese ermöglichte als erste Klinik ihrer Art auch finanzschwachen Patient*innen eine psychoanalytische Behandlung, die bis dahin im Wesentlichen einer wohlhabenden Klientel vorbehalten war.
Die Klinik war aber auch zentraler Teil des Berliner Psychoanalytischen Instituts, in dem erstmals auch eine strukturierte Lehre der Psychoanalyse erfolgte. So wurde hier die dreigliedrige Ausbildung (theoretische Kurse, Lehranalyse, Behandlung erster Patient*innen unter Supervision) entwickelt, die später in der ganzen Welt Ausbildungs-Standard wurde.
Wie bedeutend unser Kiez für die Entwicklung der Psychoanalyse war, zeigt auch der vom 25. -27.September 1922 in der Kurfürstenstraße 115/116 am „Haus des jüdischen Brüdervereins gegenseitiger Unterstützung“ abgehaltene 7. Internationale Kongress der IPV; der letzte, an dem Sigmund Freud persönlich teilnahm.
Unter dem Vorsitz Max Eitingons in der Internationalen Unterrichtskommission wurde das Institut zum Vorbild der Psychoanalytischen Institute der Welt. Siegmund Freuds Tochter Anna Freud schrieb 1970 zum 50jährigen Jubiläum des Instituts: „Die psychoanalytische Welt soll auch nicht vergessen, dass die enge Verbindung Behandeln, Lehren und Forschen, die heute das Bestehen jeden analytischen Institutes kennzeichnet, vor 50 Jahren in Berlin ihre erste Verwirklichung gefunden hat.“
An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass dies nur mit der großzügigen finanziellen Unterstützung Max Eitingons möglich war, der aus seinem Familienvermögen (aus dem Fellhandel) nicht nur die Poliklinik und das Institut finanzierte, sondern auch den 1919 gegründeten Wiener Psychoanalytischen Verlag unterstützte. Wie viel die Psychoanalyse Eitingons verdankte, fasste Freud in die Worte: „Die besten Fälle der Analyse sind die Felle des alten Eitingon.“